Meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu dieser sechsten Ausgabe meiner Abenteuer in Tschechien! :)

Mittlerweile habe ich mich schon halbwegs in meiner neuen Wohnung in den Königlichen Weingärten (so der alte deutsche Name meines Stadtviertels) eingelebt. Dabei habe ich am Abend häufig mit meiner Mitbewohnerin Kateřina über Politik diskutiert. Dadurch bekomme ich einen Einblick in die dunklen Seiten der tschechischen Seele, denn Kateřina wird nicht müde, zu betonen, wie xenophob die Tschechen seien und wie sehr sie in Betracht zieht, deshalb in ein anderes Land (wie z.B. Österreich) zu ziehen. Der ORF schrieb jedenfalls gerade diese Woche einen Artikel namens Flüchtlinge als Spielball der Politik, den wir z.B. ausführlich diskutierten. Dies immer in einer Mischung aus Tschechisch, Englisch und einzelnen deutschen Wörtern.

Am Montag fand jedenfalls die Schlüsselübergabe statt. Kurz nach meiner Ankunft fragte mich meine Vermieterin, ob es in Ordnung wäre, wenn eine weitere Mieterin das Zimmer neben meinem Zimmer belegen würde? Ich war von dieser Frage etwas überrumpelt, da ich besagte Mieterin ja gar nicht kannte, aber ich stimmte zu. Die Mieterin stellte sich als Koreanerin namens Jeanne (ich schreibe es jetzt einmal französisch, weil es so am ähnlichsten klingt, wie sie den Namen ausspricht) heraus, die als Stadtführerin in Prag ist. Die erste Frage an mich war, ob ich vielleicht mit ihr das Zimmer tauschen könnte, da ihr Zimmer noch nicht fertig war. Ich fand die Frage ein starkes Stück, vor allem da ich ja kaum erst eingezogen war, aber zum Glück löste sich das Problem von selbst, da sie erst etwas später als ich einziehen wollte und bis dahin das für sie vorgesehene Zimmer fertig sein sollte. Etwas später erst verstand ich die Frage besser, da nämlich meine Vermieterin scheinbar Jeanne schon mein jetziges Zimmer zugesagt hatte, bevor ich meinen Besichtigungstermin hatte, und dann aber mir ihr Zimmer gab. Obwohl ich von diesem Verhalten profitiert habe, finde ich es doch nicht sehr vertrauenserweckend, aber ich glaube, dass es nicht aus Bosheit, sondern eher aus einem gewissen Chaos heraus entstanden ist. Denn meine neue Wohnung ist definitiv sehr chaotisch. Am Küchentisch liegen immer hunderttausend Kleidungsstücke, und selbst ich, der auf Sauberkeit nicht den allergrößten Wert legt, finde den Boden manchmal erstaunlich schmutzig. Es ist jedenfalls eine gewisse Herausforderung für mich, in diesen Umständen cool zu bleiben. Aber es ist trotz alldem noch immer um einiges herzlicher und schöner als im Süden von Prag.

Am Montag kochte ich mit Kateřinas Tochter Mařinka einen Kaiserschmarrn, der in Tschechien unter dem Namen Císařský trhanec bekannt ist. Somit ging leider mein Plan, den Tschechen ein neues Gericht nahezubringen, nicht auf. Dafür bemerkte ich am nächsten Tag, dass in der Früh die Hälfte des restlichen Kaiserschmarrns aus dem Kühlschrank verschwunden war. Daraufhin befragte ich meine Mitbewohnerinnen, die jegliche Schuld von sich wiesen, aber anmerkten, dass die Katzen des Hauses – Lucie und Jonáš – gerne den Kühlschrank plünderten. Wahrhaftig, das deckte sich auch mit meiner Beobachtung, dass ich in der Früh die Kühlschranktür geöffnet vorgefunden hatte, was ich bis dahin der Nachlässigkeit meiner Mitbewohner zugeschrieben hatte. Ich erfuhr auch durch eigene Beobachtung, dass die Katzen in der Lage waren, normale Türen mit Leichtigkeit zu öffnen, auch Plastikverpackungen, wobei sie den darinliegenden Inhalt oftmals nur ankosten und dann aber nicht aufessen. So mir geschehen mit Tatranky-Waffeln. In der Mitte der Woche fuhren meine Mitbewohnerinnen dann für zwei Tage nach Wien, währenddessen die Katzen zuhause blieben. Ich hatte keinerlei Anweisungen für diese Zeit erhalten, mich irgendwie um die Katzen zu kümmern, und fürchtete schon, dass sie in der Nacht hungrig in mein Zimmer kommen und mir die Augen auskratzen könnten, quasi menschliches Spiegelei. Glücklicherweise blieben solche schwerwiegenden Konsequenzen aus, vielleicht auch deshalb, weil ich sie mit den verbleibenden Tatranky-Resten zu besänftigen suchte und ihnen Wasser gab. Sobald meine Mitbewohnerinnen zurückgekommen waren, wurden die Katzen auf jeden Fall um einiges zutraulicher, während sie zuvor bei meinem Anblick geschwinde Reißaus nahmen. Ich hatte aber auch Vorkehrungen getroffen, um zumindest die Kühlschranktüre abzusichern, indem ich davor eine schwere Kiste stellte. Nachdem ich aber bemerkte, dass die Katzen in der Lage waren, die Kiste zu verschieben, versuchte ich, einen Staubsauger auf die Kiste zu stellen, um sie dermaßen zu beschweren, dass die Katzen sich an diesem Hindernis die Krallen ausbeißen würden. Dabei allerdings übersah ich, dass der Staubsauger mit Wasser gefüllt war, und machte ein großes Durcheinander. Ich fühlte mich jedenfalls wie einer dieser Zeichentrick-Bösewichte, der beim Aufstellen seiner Fallen vollkommen versagt oder gar selbst in diese tappt.

Die starke feline Präsenz führte jedenfalls dazu, dass ich mich in Traumwelten außerhalb der Wohnung flüchtete, nämlich ins Kino! Am Freitag war ich im Kino Aero, was mir bisher unter den Prager Kinos am besten gefällt, wozu so schräge Videoclips wie dieser hier beitragen, die vor dem Film gezeigt werden. Der Film hieß “Lucie: Příběh jedný kapely” (Lucie: Geschichte einer Band) und handelte von der tschechischen Band Lucie, die mir bis dato noch kein Begriff gewesen war. Die Musik gefiel mir aber ausgesprochen gut, unter anderem ein Stück namens Dobrá kočka která nemlsá – “Das ist eine gute Katze, die nicht nascht”. Passt perfekt zum meinen Hauserfahrungen.

Dobrá kočka která nemlsá.
Dobrá kočka která nemlsá.

Am Samstag habe ich versucht, zu arbeiten, habe mich aber leider dadurch ablenken lassen, ein neues Betriebssystem namens NixOS auszuprobieren, das zwar einen ausgezeichneten theoretischen Ansatz hat, aber für meine Zwecke leider noch nicht praxistauglich ist. Am Abend wollte ich jedenfalls noch etwas aus meinem Tag machen, weshalb ich ins Komorní Kino Evald ging und mir dort den Film “Julieta” von Pedro Almodóvar anschaute. Auf Spanisch, mit tschechischen Untertiteln. Uff. Am Ende war ich so müde, dass ich kaum noch die Untertitel mitlesen konnte, aber ich habe zumindest grob die Geschichte des Films verstanden. :)

Am Sonntag kam Jeanne in die Wohnung, in der in der Zwischenzeit noch in aller Hektik das Zimmer hergerichtet wurde. Übrigens eine erstaunliche Gemeinsamkeit aller chaotischen Personen, dass sie, wenn es einmal wirklich hart auf hart geht, auf einmal fürchterlich hektisch werden, aufgrund mangelnder Planung. :) Da die Einrichtung des Zimmers jedenfalls unter einigem Lärm vonstatten ging, schlug ich Jeanne eine gemeinsame Stadtbesichtigung vor. Mein Plan, ihr das Österreichische Kulturforum (in dem momentan eine Ausstellung zum Stadtteil “Favoriten” stattfindet) zu zeigen, schlug jedenfalls leider fehl, da es nur von Montag bis Freitag geöffnet hat. Dafür bewegten wir uns dann zur Týn-Kirche, die aber ebenfalls geschlossen war. So begaben wir uns zur Malá Strána, in der wir die John-Lennon-Mauer sahen, die schon seit Jahrzehnten mit Graffitis befüllt wird.

John-Lennon-Mauer.
John-Lennon-Mauer.

Nach einigem Suchen fanden wir ein ausgezeichnetes Restaurant namens U Magistra Kelly, das direkt neben dem italienischen Kulturinstitut lag, was allein schon für Qualität bürgt. Um 7,50€ Knödel, Salat und Bier. (Ein Tipp: Das Bier “černý kozel” ist der Hammer!) Dann gingen wir weiter zur Prager Burg, wo ich Jeanne allerdings aus den Augen verlor. So ging ich alleine weiter zur Burg und entdeckte den dahinter liegenden “jelení příkop”, vom Reiseführer als “Hirschgraben” übersetzt. Nicht sehr touristisch frequentiert und sehr ruhig.

Jelení příkop.
Jelení příkop.

Unter der Woche startete ich auch ein paar Versuche, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Leider gilt auch für mein neues Domizil, dass Radfahren in Prag nicht leicht ist, da man nie weiß, wo sich Pflastersteine verbergen bzw. wo die Radwege plötzlich aufhören. Auf der Arbeit, von der ich bis jetzt recht wenig geschrieben habe, läuft jedenfalls alles in geordneten Bahnen. Um meine Arbeit zu dokumentieren, habe ich jedenfalls eine Art Arbeits-Tagebuch gestartet. Bis jetzt hat es sich recht positiv ausgewirkt, unter anderem auch in reduziertem Computerspiel-Konsum nach der Arbeit. :)

Ich wünsche meinen Lesern eine schöne Woche und bis bald!