Dámy a pánové
Meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu dieser dreizehnten Ausgabe meiner Abenteuer in Tschechien, geschrieben im Zug von Prag nach München. :)
Tja, wo beginnen? Es sind so viele Dinge passiert, seit ich meinen letzten Artikel geschrieben habe. Schon am ersten Wochenende, von 14. bis 16. Oktober, war ich schreibtechnisch verhindert, da mich mein Freund Stefan aus Wien besuchte. Ich glaube, während dieser Zeit ernährte ich mich wirklich hauptsächlich im Restaurant, wobei ich vermutlich mehr Bier als Wasser zu mir nahm. Es bedarf eines Wieners, um mich zu einem Tschechen zu machen. :) Ich führte im wesentlichen meine Standard-Prag-Tour durch, abgesehen von einem Besuch in der Jazz Republic, wo wir bei sehr guten Cocktails ein tolles Jazz-Konzert bei freiem Eintritt genossen.
Weiters gingen wir auf die Prager Burg und erklommen zum ersten Mal den Turm des Neustädter Rathauses.
Dabei musste ich feststellen, dass ich Probleme mit meinem Knie hatte, denn dieses begann mich beim Treppensteigen zu schmerzen und zwang mich dazu, nicht nur etwas leiser, sondern auch langsamer zu treten. Dieses Problem sollte sich leider in den darauffolgenden Wochen verstärken. Erste Anzeichen für dieses Knieproblem haben sich schon vor zwei Jahren gezeigt, als ich nach einem Sturz beim Schifahren ohne unmittelbare Folgen am Tag darauf eine Fahrradtour nach Prag angetreten bin und bei dem Anstieg nach St. Johann in Tirol ebensolche Schmerzen verspürt hatte. Leider habe ich die Tour nicht abgebrochen, sondern vielmehr einen Tag später von Oberösterreich aus fortgesetzt, wobei sich die Schmerzen allerdings verstärkten. Seither hatte ich immer wieder Probleme, die allerdings in Prag zu einer neuen Dimension auswuchen: So konnte ich in der letzten Woche kaum mehr Stiegen steigen, und wenn, dann nur extrem langsam, sodass ich sogar mittlerweile den sonst von mir verachteten Aufzug schätzen gelernt habe. Eine der Sachen, auf die ich mich also in Innsbruck schon wieder am meisten freue, ist der Onkel Kniedoktor.
Eine weitere Sache, auf die ich mich in Innsbruck definitiv schon freue, ist mein Bett und die himmlische Ruhe, die im Vergleich zu meinem Prager Domizil herrscht. Zumindest stelle ich mir das so vor. Das morgendliche Geschrei der Kinder meiner Mitbewohnerin ist eine Sache, die ich in Prag definitiv nicht vermissen werde. Auch der Zigarettenrauch wird mir nicht abgehen. Weiters freue ich mich auch darauf, wieder in einem katzenfreien Haushalt zu sein, denn gerade vor kurzem erwischte ich den fetten Kater (tlustý kocour) dabei, wie er den Kühlschrank geöffnet und ein großes Stück Fleisch meines Mitbewohners Maxime erbeutet hatte. Mein Einschreiten verhinderte einen Verzehr desselben und eine eilige Flucht des Katzentieres. Als ich bei meiner Gastfamilie den Vorfall anzeigte, suchten sie den Kater, aber anstatt ihm die Leviten zu lesen, erhielt er Streicheleinheiten. Jetzt weiß ich also, wie man eine Katze möglichst nicht erziehen sollte.
Bei all dem Gejammere könnte man den Eindruck gewinnen, dass meine Entscheidung für mein Domizil eine ziemlich schlechte gewesen war. Dem ist zuzustimmen, wenn man die schlechten Seiten betrachtet. Aber ich muss doch sagen, dass durch das Zusammenleben mit Tschechen mein Tschechisch deutlich profitiert hat, und die Lage meiner Wohnung nicht so schlecht war. Weiters habe ich Einblick in ein exemplarisches tschechisches Familienleben erlangt, und auch wenn ich hoffe, dass es nicht repräsentativ ist, so gab es auch in diesem sehr stark von Suchtmitteln wie Fernsehen und Computer geprägten Familienleben doch schöne Momente wie z.B. als Kateřina zum tschechischen Nationalfeiertag einen Kuchen machte und mir netterweise auch davon anbot. Es sind diese Momente, die mir in der Dysfunktionalität Hoffnung geben.
Am tschechischen Nationalfeiertag, den 28.10., habe ich übrigens auch wieder einmal Jeon besucht, meine ehemalige Mitbewohnerin. Diese wohnt mittlerweile in der Malá Strána (Kleinseite) in äußerst günstiger Lage, allerdings wohnt sie in der Küche einer WG, wo außer ihr noch eine Georgierin haust. Sie kam zu der Einsicht, dass sie ab dem nächsten Jahr in einer eigenen Wohnung leben möchte. Also bin ich nicht der einzige, der Probleme damit hat, adäquaten Wohnraum in Prag zu finden. :) Sie kochte jedenfalls für mich zu Mittag, und danach gingen wir ein bisschen auf der Kampa-Insel spazieren. Danach ging ich zum Národní divadlo (Nationaltheater), wo ich mich mit meinem Betreuer Josef dazu verabredet hatte, die Oper “Libuše” von Bedřich Smetana anzuschauen, die zur Eröffnung des Nationaltheaters 1882 uraufgeführt wurde. Diese Oper passte jedenfalls perfekt zum Nationalfeiertag: Sie erzählt die Geschichte der Fürstin Libuše, die Recht spricht über zwei Brüder und deren Urteil von einem der Brüder nicht akzeptiert wird, weil sie eine Frau ist. Daraufhin heiratet sie und der Bruder akzeptiert das Urteil ihres Mannes. Die nicht gerade feministische Rahmenhandlung ist aber eher nebensächlich, denn viel wichtiger war für die Tschechen die Fähigkeit Libušes, die Zukunft zu sehen, die ihr zufolge für die Tschechen großartiges bereithielt. Man merkt also deutlich, dass die Oper in die Zeit des aufkeimenden Nationalismus fällt, wozu auch passt, dass zu Beginn der Oper der Schriftzug über der Bühne “Národ sobě” – “die Nation sich selbst” – hell erleuchtet wird. Das größte Problem bei der Oper war die schlechte Lesbarkeit der Untertitel, die dazu führten, dass Josef fast überhaupt nichts von der Geschichte verstand und ich viel Mühe auf die Entzifferung verwenden musste. Škoda. (Schade.)
In derselben Woche war ich schon eine andere tschechische Oper, nämlich Rusalka von Antonín Dvořák. Diese erscheint um einiges weniger nationalistisch als Libuše und handelt von einer Nixe, die sich in einen Menschen verliebt und sich mithilfe einer Hexe zum Preis ihrer Stimme in einen Menschen verwandelt. Eine Art Vorgängerin von Arielle also, musikalisch dieser aber vermutlich deutlich überlegen. Die Verständlichkeit des Textes war recht hoch, sogar für mich als Ausländer, ganz anders als wie bei Rusalka. Und die Untertitel waren viel lesbarer! Die Untertitel waren allerdings interessanterweise nicht auf Tschechisch verfügbar, sondern auf Englisch und – man lese und staune – Deutsch. Letzteres verstand ich recht bald, als ich der großen Menge von Schülern aus Deutschland im Publikum gewahr wurde, die nicht gerade durch ihr zurückhaltendes Benehmen auffielen. So wurden zum Beispiel Wettbewerbe abgehalten, wer als letzter klatscht, weiters wurde viel getuschelt – interessanterweise auch durch die Lehrer. Das erinnerte mich an meinen eigenen Aufenthalt in Tschechien in der 8. Klasse, bei dem wir vermutlich ein auch nicht sehr viel besseres Bild abgegeben hatten. An diesen Aufenthalt kann ich mich allerdings kaum mehr erinnern, was eher gegen die Effektivität solcher Ausflüge spricht. Vielleicht muss man einfach eine gewisse Reife erreichen, um von Städteaufenthalten profitieren zu können.
Bei all diesen kulturellen Reportagen fällt mir auf, dass ein weiterer Vorteil meiner WG vermutlich der gewesen ist, dass mich die Stimmung (nalada) dort dazu motiviert hat, deutlich häufiger auszugehen, als ich es andernfalls getan hätte. Weiters fällt mir dadurch auch der Abschied von Tschechien vermutlich deutlich leichter, als wenn ich in einer angenehmeren WG gewesen wäre.
Vor dem Besuch von “Rusalka” traf ich mich übrigens noch mit David, den Bruder von Klára, und wir gönnten uns jeweils ein Bier plus dazu einen pivní sýr (Bierkäse) und Bierpalatschinken. Dabei machte ich die erstaunlichen Entdeckungen, dass er noch nie ein solches Abendessen gegessen hatte und dass er außerdem Geburtstag hatte! Er arbeitet mittlerweile in der Nationalbibliothek in der Musikabteilung, wo er als Germanistik-Student deutsche Briefe übersetzen und einordnen muss.
Oh, ein weiterer Aspekt, auf den ich mich in Innsbruck schon freue, ist die Tatsache, dass mein Zimmer auch ohne Heizung immer angenehm warm ist, denn die Heizung in meinem tschechischen Zimmer hat bei hoher Stufe immer das Zimmer ausgetrocknet, sodass ich meistens in der Nacht mit einem trockenen Hals aufgewacht bin und einmal durchlüften musste. Bei Kälteeinbrüchen bin ich weiters mitten in der Nacht mit starkem Husten aufgewacht, und dies ist auch meinen Mitbewohnern häufiger passiert.
Am Wochenende vor dem “Rusalka”-Besuch war ich zu Besuch bei meiner Freundin in Kopenhagen, die zeitgleich mit mir ihren Erasmus-Aufenthalt beendet. An Kopenhagen habe ich die Ruhe geschätzt, als wie auch das Radfahren, das mir durch ein sehr günstig ausgeliehenes Fahrrad bei Rosenborg Cykler ermöglicht wurde. Wir fuhren nämlich eines Tages nach Sophienholm, ein Schloss in der Nähe des Vororts “Sorgenfri”, wo sich uns ein sehr schöner Aussicht auf den danebenliegenden See darbot. Auch der Besuch des Bastard Café im Zentrum von Kopenhagen, wo wir gratis verschiedene Gesellschaftsspiele spielen konnten, gefiel uns sehr gut.
Ach ja, auf das Radfahren freue ich mich in Innsbruck auch schon sehr, sowie auf mein Klavier und den Universitätschor. In Prag hätte ich zwar auch sehr gerne bei einem Chor gesungen, aber durch meine eher ungünstige Aufenthaltszeit im Sommer waren die meisten Chöre auf Sommerpause, sodass mir dies verwehrt blieb. Und gerade zu Ende meines Aufenthaltes traf ich ein paar Choristen beim Warten auf die Metro, die mich zu ihrer Aufführung des Mozart-Requiems eingeladen hätten, das aber leider erst nach meiner Abreise stattfindet. Nichtsdestotrotz sorgte meine Herkunft aus Österreich bei den Choristen für leuchtende Augen. :)