Tranquille
Meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu dieser neunundzwanzigsten Ausgabe meiner Abenteuer in Frankreich! :)
Diese Woche war eigentlich relativ ruhig, wenn ich sie so mit anderen Wochen meines Frankreich-Aufenthalts vergleiche. Das mag einerseits daran liegen, dass ich von meiner Reise letzte Woche noch ein wenig Ausruhbedarf habe, andererseits aber auch damit, dass ich mit dem Fortschritt meiner Masterarbeit nicht zufrieden war und dementsprechend weniger Freizeitaktivitäten eingeplant habe. Ich habe mich nämlich, wie mir scheint, bei meiner Masterarbeit in eine ganz bestimmte Richtung verrannt und war dementsprechend frustriert, als sich diese eine Richtung als uneinnehmbare Burg erwiesen hatte. Mein Innsbrucker Betreuer, Cezary, hat mich am Freitag allerdings wieder débloqué, denn noch am selben Tag hatte ich einige neue Ideen, sodass ich jetzt wieder frohen Mutes weiterarbeiten kann. Er hat mir außerdem geraten, meine bisherigen Ergebnisse und Schwierigkeiten niederzuschreiben, wovor ich bisher ein wenig zurückgeschreckt bin, da ich befürchtete, dass sich diese Arbeit am Ende als unnötig herausstellen könnte, wenn ich eine Lösung finden sollte, die all meine bisherigen Zwischenergebnisse obsolet macht. Da sich mein Problem aber als unerwartet vertrackt herausgestellt hat, denke ich, dass auch die Zwischenschritte zu meiner endgültigen Lösung in spe interessant sein können, da sie zumindest zeigen, in welche verschiedenen Richtungen ich gedacht habe und warum ich gewisse Ansätze wieder verworfen habe. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich war bei der Masterarbeit ein wenig “perdu”, bin jetzt aber wieder guter Dinge und motiviert! :)
Neben meiner akademischen Tätigkeit habe ich auch die Kunst nicht außer Acht gelassen und fleißig Klavier geübt, denn “mein” Klavierkonzert am 10. April nähert sich. Außerdem hatte ich diese Woche ein Schlüsselerlebnis: Ich fühle mich gewissermaßen erst jetzt wirklich in Frankreich angekommen, nachdem ich die französischen Chansons verstehe und mitsingen kann. Zwar kannte ich schon vorher einige Chansons, aber erst jetzt kann ich ein Chanson hören und auch beim ersten Mal verstehen. Natürlich nicht jedes Wort (dafür sind die Franzosen zu große Poeten), aber den ungefähren Sinn bekomme ich mit. Für diese Entwicklung ist großteils mein Cousin Mino verantwortlich, der mir in La Grande-Motte eine umfassende Einführung in das französische Chanson gegeben hat, mit Hintergrundgeschichten zu seinen Akteuren. Seither ist der französische Anteil an meiner Musiksammlung explodiert, und ich bin eifrig dabei, neue Lieder zu lernen. Es folgt eine kleine Auswahl meiner momentanen Lieblingstitel (teilweise inspiriert durch den Film “On connaît la chanson”):
- Michel Berger : Quelques mots d’amour, Ça balance pas mal à Paris
- Daniel Balavoine : Le chanteur
- Alain Souchon : On avance
- France Gall : Résiste
- Bénabar : Le dîner
- Jacques Dutronc : J’aime les filles
Nebenbei versuche ich auch, das französische Liedgut auf eigene Faust zu erweitern; so habe ich wieder einmal in einem nächtlichen Motivationshoch passend zur neuen Jahreszeit das Lied “Veronika, der Lenz ist da” auf Französisch übersetzt – voilà “Véronique, le printemps est là”:
"Véronique, le printemps est là
les filles chantent "tralala"
et tout le monde est enchanté
Véronique, il faut s'aimer.
Écoute Véronique, on ne vit qu'une fois
donc il faut aller dans les bois
même le grand-papa
dit à la grand-maman
Véronique, le printemps est là.
Fille rigole, garçon dit
voulez-vous, non ou oui
dehors c'est printemps,
le poète Jean Mouchoir
pense que c'est son devoir
d'écrire cette histoire.
Véronique, le printemps est là
les filles chantent "tralala"
et tout le monde est enchanté
Véronique, il faut s'aimer.
Écoute Véronique, on ne vit qu'une fois
donc il faut aller dans les bois
le vieux et gentil grand-papa
dit à la bonne grand-maman
Véronique, le printemps est là.
Ils exultent de joie, le printemps est là, Veroniqué
et tout le monde est enchanté
Véronique, il faut s'aimer.
Oh Véronique, oh Véronique, on ne vit qu'une fois
donc il faut aller dans les bois
même le gentil et bon vieux grand-papa
dit à la chère bonne vielle grand-maman
Véronique, le printemps est là.
Véronique, le printemps est là
les filles chantent "tralala"
et tout le monde est enchanté
Véronique, il faut s'aimer.
Véronique, le printemps est là."
Von solch guten Neuigkeiten abgesehen gibt es allerdings auch schlechtes zu berichten: Mit blutleeren Lippen muss ich konstatieren, dass mich seit einigen Tagen eine Armee von Mücken zwar dank Ohrenstöpseln nicht meines Schlafes, doch dafür meines roten Lebenssaftes beraubt. Die reichlichen Regenfälle der letzten Monate und das momentan recht warme Wetter haben nämlich äußerst günstige Lebensbedingungen für die kleinen Sauger geschaffen, die sich jetzt über Village 2 hermachen. Dazu trägt auch bei, dass gewisse Nachbarn ständig das Fenster offen lassen und die Biester geradezu einladen, sich an ihnen (und ihren anderen Nachbarn, wie meiner Wenigkeit) zu laben. Das hat solche Ausmaße angenommen, dass mich Leute schon gefragt haben, ob mich jemand geschlagen hätte, weil ich so rot im Gesicht sei. :) Außerdem verfolgt mich schon seit Beginn der Woche ein hartnäckiger Schnupfen, der nicht und nicht weggehen möchte. Immerhin hat er außer Halsweh keine besonders unangenehmen Nebenwirkungen …
Weiter geht es mit einer kleinen Chronologie:
Am Donnerstag fand unser Französisch-Kurs statt … nicht! Wir warten vor der Türe, niemand ist da, nur ein Zettel, dass der Kurs nicht stattfindet. Was macht der Erasmus-Student in einem solchen Fall? … Richtig, er macht sich mit den anderen Studenten selbstständig, besorgt sich im Casino (Supermarkt) ein Bier und setzt sich in einen Park, um gemeinsam die letzten Sonnenstrahlen des Einzug haltenden Frühlings zu genießen. Dieses Vergnügen wurde allerdings jäh gestört von einem Missionar, der sich in unsere Runde drängte, um uns die Welt zu erklären. Unser Diskurs mit ihm dauerte einige Zeit, kam allerdings auf keinen grünen Zweig, da er auf unsere Argumente nicht einging und riesige Redeschwälle auf uns niederließ, sodass mit das Ganze zu einseitig vorkam und ich ihn bat, uns in Ruhe zu lassen. Als er auf diese Bitte mehrfach nicht einging, wurde ich so wütend, dass ich ihn händisch vertrieben hätte, wären nicht meine Kollegen zwischen uns gegangen. Immerhin hat er sich danach von selbst verzupft, worüber ich sehr froh war. Im Nachhinein hat der Zwischenfall unseren Aufenthalt aber durchaus aufgelockert und uns einigen Diskussionsstoff beschert. ;)
Am Freitag fand wieder einmal ein kleines Treffen unserer Erasmus-Gruppe statt, die allerdings nach meinem Empfinden leider nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, da einige der ohnehin nicht zahlreichen Verbliebenen abgesagt haben. Es fehlen insbesondere die ganzen Deutschen, die immer sehr motivierbar waren und bei fast jeder kulturellen Aktivität mitgemacht haben. :( So waren wir nur zu dritt; wir haben schon bessere Abende gesehen. Machte aber nichts, denn ich musste sowieso früh gehen, denn …
Am Samstag stand eine kulturelle Stadtführung von Bordeaux am Programm! Diese wurde veranstaltet von unserer Französisch-Professorin, die den Französisch-Kurs am Dienstag hielt und uns nunmehr aufgrund einer Beinoperation leider nicht mehr unterrichten wird. Wir sahen bei dieser Stadtführung einige uns schon bekannte Monumente, aber auch einige versteckte Ecken der Stadt – ich hoffe, meine nächsten Besucher aus Heimatlanden jetzt also eine kulturelle Einführung in die Stadt geben zu können. ;)
Nach der Stadtbesichtigung gingen wir geschlossen zum Döner (obwohl es kein Dienstag und somit kein Döner-Day war!), der nach der ausführlichen Stadttour auch dringend nötig war. Danach verabschiedete ich mich frühzeitig von den anderen, da ich starken Siesta-Bedarf hatte und mich für den Abend ausruhen wollte, denn da war ein Chorkonzert angesagt. Dieses Konzert fand in der Maison cantonale de La Bastide in Bordeaux statt, auf der rive droite (rechten Flussseite) von Bordeaux. Wunderschön in der Nähe der Tramstation “Stalingrad” gelegen (führt zu lustigen Sätzen wie “Ich fahre heute nach Stalingrad.” ^^) begrüßte uns die Maison cantonale mit einem kleinen, aber feinen Veranstaltungssaal, den wir an diesem Abend allerdings leider nicht füllten, vermutlich wegen mangelnder Werbung. War aber trotzdem ein tolles Konzert!
Am nächsten Tag ging es weiter mit dem nächsten Konzert, diesmal in der Dorfkirche von Camarsac. Hier bekamen wir immerhin schon vor dem Konzert crêpes und cidre serviert, sodass dieses Konzert ein sehr lustiges wurde. ;)
Das war im Groben und Ganzen meine Woche. Ich hoffe, dass diese Woche auch für meine verehrten Leser eine gute war und freue mich auf ein Wiederlesen! :)