Meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu dieser zweiundzwanzigsten Ausgabe meiner Abenteuer in Frankreich! :)

Der Montag begann mit einem psychischen Kater übelster Art, bedingt durch die bevorstehende Abreise unserer letzten verbliebenen Deutschen, Anita und Kristin. Da war meine Stimmung wieder einmal so richtig schön im Keller, und mein Gesundheitszustand ebenso, denn ich bemerkte schon in der Nacht, wie sich ein feiner Husten langsam in mir breitmachte. Leise kratzen meine Stimmbänder. Nun, man kann allerdings nicht den ganzen Tag Trübsal blasen, und so fuhr ich nach dem Frühstück nach Pessac Centre, um dort endlich meine CAF-Angelegenheiten zu regeln, denn bisher habe ich noch keinen einzigen Cent Mietbeihilfe auf meinem Konto gesehen. Was war zu tun? Nun, ich musste eine “attestation sur l’honneur” erbringen, will heißen, eine Bestätigung “bei meiner Ehre”, dass ich auch wirklich in der Lage bin, meine Miete selbst bezahlen zu können. Irgendwie ironisch, so eine Bestätigung erbringen zu müssen, wenn man eigentlich um Mietbeihilfe ansucht. Jedenfalls funktionierte der Prozess für französische Verhältnisse erstaunlich gut, man gibt auf einem Computer seine CAF-Nummer ein, wartet dann zwei Minuten im Wartezimmer und sieht dann seinen Namen auf einem Bildschirm erscheinen mit der Schalternummer, zu der man gehen muss. Cool, die Zukunft ist hier. Beim Schalter gibt man dann sein schriftliches Ehrenwort ab, und das war’s auch schon. Keine Suche nach dem Passierschein A 38 oder sonstige Spompanadln, nichts. Auf der Rückfahrt nach Village 2 hatte ich eine spontane Idee für ein Lied, in dem ich meine Abschiedstrauer verarbeitete – das Lied ist allerdings leider nicht fertig geworden, und da ich im Moment auch nicht mehr so traurig bin, weiß ich nicht, ob ich es vollenden werde. Mal sehen … An diesem Tag ging ich alleine in die Mensa essen, und das war nicht gerade so berauschend für die Psyche. Dafür ging ich danach mit Noël noch auf einen Café, und das brachte mich dann wieder auf die Beine – so ein Café ist nicht teuer, aber dessen gemeinsamer Konsum ist unbezahlbar. :) Wie ich später erfuhr, war am Abend eine Abschieds-Soirée für Anita geplant, aber ich war wegen meiner Krankheit ziemlich fertig und ging schon früh ins Bett, weshalb ich diese Soirée leider verpasste und mich nicht mehr in Person von Anita verabschieden konnte. :( Vielleicht war es aber auch besser so, mich hätte das wahrscheinlich wieder stark mitgenommen …

Der Dienstag, 29. Jänner, markierte die Halbzeit meines Frankreich-Aufenthalts! Am 29. August 2012 bin ich hier angekommen, und am 29. Juni werde ich – so Gott und meine Motivation wollen – mit meiner Masterarbeit fertig sein. Zur Feier des Tages machte ich’s wie die Franzosen und zündete ein paar Autos an, in der ludernden Glot feixend zelebrierend. Nah, just kiddin’. (Bin im Moment gerade in einer komischen Schreibstimmung. Ich garantiere allerdings, dass ich nicht besoffen bin oder ähnliches! Liegt wohl eher an der Siesta.) Am Dienstag Abend nahm der Französisch-Sprachkurs wieder Fahrt auf, nämlich mit einem Niveau-Einstufungstest. Dieser nahm sich relativ harmlos aus, wie mir vorkam, was hoffentlich für einen gewissen Fortschritt in meinem Sprachniveau spricht. Am Ende des Tests ging ich nach vorne und fragte nach, ob ich mir eventuell den Sprachkurs am Montag und Mittwoch aussuchen könnte – klare Antwort: nein, man kann sich die Gruppe nicht aussuchen. Nachsatz: Naja, wir sind in Frankreich, da können wir sicher irgendetwas machen, Sie scheinen ja ganz gut Französisch zu sprechen, und am Montag ist eh die Fortgeschrittenengruppe, also da wolln wir Ihnen jetzt keine Steine in den Weg legen, wie ist Ihr Name? Dann noch die obligatorische Frage nach meiner Herkunft und die berühmten drei Rateversuche (Deutschland, Schweiz, Österreich, in dieser Reihenfolge), und die Sache ist gegessen. So komme ich jetzt hoffentlich in den Genuss der Fortgeschrittenen-Sprachgruppe am Montag/Mittwoch, denn dann würde es keine Überschneidungen mit dem Chor mehr geben. :)

Am Mittwoch ging’s einmal wieder in die Mensa mit meinem Studienfreund Jérôme, den ich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. War auf jeden Fall ganz lustig. Am Nachmittag ging ich dann noch zu Kristin auf einen Café, der sehr angenehm war. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum ich Kristin trotz ihrer manchmal ziemlich unverschämten Gemeinheiten mag: Sie ist zwar manchmal ziemlich fies, aber dafür kann sie auch manchmal so charmant sein und so herzerfreuend lachen, dass man geneigt ist, ihr die ganze Frechheit nachzusehen. Ich werde auf jeden Fall auch Kristin sehr vermissen, aber immerhin ist von all meinen Erasmus-Freunden die mir am nächstgelegen studierende (Erlangen), sodass sich da ein Besuch noch am einfachsten organisieren ließe. Da so eine Abschiedsstimmung inspiriert, setzte ich mich auch einmal wieder an das UdSSR-Klavier von Village 2 und spielte mir meinen Kummer von der Seele. Erstaunlich, wie viel besser man sich nach so etwas fühlt, selbst wenn aufgrund der Zwergen-Bauweise des Klaviers nach dem Spielen der Rücken klagt.

In der Nacht auf Donnerstag schlief ich ziemlich schlecht, da ich mitten in der Nacht auf einmal die Idee hatte, das Lied “Schöne Isabella aus Kastilien” von den Comedian Harmonists auf Französisch zu übersetzen. Ich hatte dieses Lied am Vortag gehört, und wie es scheint, hat mein Unterbewusstsein mir diese Aufgabe auferlegt. Da half kein Jammern, ich konnte nicht mehr einschlafen, und so machte ich mich an die Arbeit. ;) Hier das Resultat – grammatikalische Fehler oder sonstige Verbesserungsvorschläge mir bitte mitteilen:

"Belle Isabelle de Castille
rends tout de suite tes ustensiles
et reviens chez moi en Espagne !

Tu sais que seulement dans le beau pays des toreros
tu perds ton cœur et trouves ton héros
donc reviens chez moi en Espagne !

Viens bientôt, sinon
je serai violent
et je m'arrête seulement
quand tu m'embrasse
et je te vois juste en face
alors s'il te plaît ma

Belle Isabelle de Castille
rends tout de suite tes ustensiles
et reviens chez moi en Espagne !

Je chante que des chansons de chagrin, reviens
car pour moi t'es la fille idéale.
Personne ne m'attire pas si entièrement, contrairement
en dansant tu es juste phénoménale.

Et ta bouche, cheri, tu dois le savoir sûrement,
embrasse d'une manière presque illégale.

Belle Isabelle de Castille
rends tout de suite tes ustensiles
et reviens chez moi en Espagne !

Tu sais que seulement dans le beau pays des toreros
tu perds ton cœur et trouves ton héros
donc reviens chez moi en Espagne !

Viens bientôt, sinon
je serai violent
et je m'arrête seulement
quand tu m'embrasse
et je te vois juste en face
alors s'il te plaît ma

Belle Isabelle de Castille
rends tout de suite tes ustensiles
et reviens chez moi en Espagne !

Belle Isabelle de Castille
rends tout de suite tes ustensiles
et reviens chez moi en Espagne !

Ma petite fille, tu sais que seulement dans le beau pays des toreros
tu perds ton cœur et trouves ton héros
donc reviens chez moi en Espagne ! (donc reviens chez moi bientôt!)

Viens bientôt, sinon
je serai violent
je te tue sur-le-champ
si tu ne m'embrasse pas !

Belle Isabelle de Castille
achetes tout de suite un billet
et reviens chez moi en Espagne !"

Wie das klingt, kann man hier anhören: (Die übliche Sängerlitanei, dass ich “nicht eingesungen war”, spare ich mir an dieser Stelle.)

Ich habe mir überlegt, die Aufführung dieser Übersetzung meinem französischen Chor vorzuschlagen. Allerdings ist es relativ schwierig bis unmöglich, Noten des Stücks in der Originalbesetzung (fünf Stimmen + Klavier) zu erhalten, weshalb wohl nur “Heraushören” übrig bleibt. :/

Am Donnerstag hatte ich dann auch noch rendez-vous mit Géraud, mit dem ich mich über meine weitere Vorgangsweise (Austrizismus à propos ^^) abstimmte: In der nächsten Zeit beschäftige ich mich damit, ob und wie ich von einem Algorithmus ausgehend automatische Äquivalenzbeweise konstruieren kann. Sehr cool. :) Habe seither schon ein bisschen über dem Problem meditiert und begonnen, den Algorithmus in OCaml zu implementieren, da seine Funktionsweise für mich noch ein wenig im Dunklen liegt. Am Abend war dann die Abschiedsfeier für Kristin, der ich glücklicherweise beiwohnen konnte. Allerdings war ich durch den wenigen Schlaf in der Nacht davor (3h?) ziemlich müde, sogar zu müde, um allzu groß über den Weggang von Kristin traurig zu sein, was mir sehr entgegenkam. Schlafentzug – ein probates Mittel gegen Depression?

Soirée Kristin.
Soirée Kristin.

Am Freitag war nix sonderlich interessantes los. Hab mir Jägernudeln gemacht, powered by Tiroler Speck. :)

Pâtes de chasseur.
Pâtes de chasseur.

Am Samstag ging ich mit Sara in die Stadt, wo wir im jardin public (Volksgarten) ein wenig flanierten und uns dann in ein Café platzierten. Anschließend machten wir uns in den Auchan auf, wo ich (leider erfolglos) versuchte, für meinen Stabmixer einen Schneebesen-Aufsatz zu bekommen. Des isch volle schlecht. Danach machte ich mich in mein Domizil auf, da Sara noch krank war und sich auskurieren musste.

Sara dans le jardin public.
Sara dans le jardin public.

Bei mir angekommen machte ich mir Crêpes, denn am 2. Feber ist in Frankreich fête des crêpes. Interessant, wusste ich zuvor auch nicht. Nach einem gemütlichen Abendessen saß ich also vor meinem Computer und machte n’importe quoi, als plötzlich das Licht ausging, sich die Helligkeit meines Computerbildschirms automatisch reduzierte und der Kühlschrank sich mit einem Geräusch abfallender Tonhöhe in den Winterschlaf verabschiedete. Was hat sich begeben? Stromausfall! Zuerst nur an einen lokalen Ausfall denkend (so wie das letzte Mal, als der chinesische Mehrfachstecker meines Nachbarn explodiert ist), begab ich mich auf den Gang, wo ich allerdings feststellen musste, dass ganz Village 2 bis auf ein paar grüne Notlichter zappenduster war. Statt Elektronen strömten nunmehr dunkle Gestalten auf den Gang, die man noch nie zuvor gesehen hatte, und erkundigten sich, ob man denn auch keinen Strom hätte? Nachbarin Kasia beruhigte allerdings unter Verweis darauf, dass das schon häufiger vorgekommen sei und nach fünf Minuten die Stromversorgung üblicherweise wiederhergestellt wäre. Und siehe da, tatsächlich: Es wurde Licht! Die Zivilisation kehrte wieder in unsere heiligen Hallen zurück, und die einstmals dunklen Gestalten, nunmehr hell erleuchtet, krochen (Kakerlaken gleich) eilig wieder in ihre Zimmer zurück. Ich nützte die Gelegenheit, um noch zuvor ein paar Nachbarn zu einem kleinen Aperitif einzuladen, der dann auch bei mir stattfand.

Jorge, Miriam (pense de ne pas être photogène) et Kasia.
Jorge, Miriam (pense de ne pas être photogène) et Kasia.

Der Sonntag begrüßte mich mit Wochenend und Sonnenschein, und von letzterem – für Bordeaux ungewohnt – nicht zu knapp. Diese Gelegenheit nutzte ich, um meinem Fahrrad den schon länger ersehnten Auslauf zu geben und zum marché nach Pessac Centre zu fahren. Dieser zeigte sich bei bestem Wetter zum Platzen voll und beeindruckte mich durch seine Größe. Ich kann mich an keinen einzigen Bauernmarkt in Österreich oder Deutschland erinnern, der nur annähernd eine solche Dimension erreicht hätte. Lustigerweise gibt es dort auch z.B. Kleider zu kaufen, und zwar zu ziemlich kompetitiven Preisen. ;) In dem Schieben und dem Schubsen ergatterte ich neben dem obligatorischen Baguette auch ein cannelé, eine typische Spezialität aus Bordeaux.

Marché à Pessac.
Marché à Pessac.

Nach dem Marktbesuch nützte ich das Wetter noch für eine kleine Radltour, nämlich Richtung Arcachon, um einmal abzuklären, wie leicht der Weg dorthin mit dem Fahrrad zu finden ist. Das Resultat war allerdings ernüchternd: Die Fahrradwege in Pessac sind nämlich an unklarer Beschilderung kaum zu übertreffen; ähnliches habe ich bisher erst in der Steiermark erlebt. :) Der “Radweg” nach Arcachon stellte sich – zumindest in Pessac – als relativ stark befahrene Straße mit kleinem Radlstreifen direkt neben den Autos heraus. Unter einem schönen Radweg verstehe ich etwas anderes. Vielleicht ist es allerdings nach Verlassen des Ortsgebietes etwas besser – zumindest laut Freund Google gibt es dort einen relativ durchgängigen Feldweg entlang der Bahnstrecke, was mir mehr zusagen würde als die dreckige autostrada.

Très creatif. :)
Très creatif. :)

Nachdem ich also in Pessac ein wenig herumgekurvt war, kehrte ich in mein Domizil zurück, wo ich Yuko wieder einmal auf ein Mittagessen (griechischer Salat) einlud. Zuvor musste ich die allerdings etwas unangenehme Erfahrung machen, dass die Zigeuner scheinbar wieder zurückgekehrt sind, denn auf dem Hof von Village 2 fragte mich eine Familie, ob ich ihnen die Türe öffnen könnte, da sie duschen möchten. Das verweigerte ich ihnen; trotzdem versuchte ein Knabe bei meinem Eintritt in das Haus die hinter mir zufallende Tür aufzuhalten, was ich allerdings verhinderte. Ich fühlte mich danach etwas herzlos, andererseits denke ich daran zurück, dass die Zigeuner einmal vermutlich den Schließmechanismus der Türe ausgehebelt hatten und sich die Türe danach nicht mehr schließen ließ. Auch der “fette Zigeuner”, der die weiblichen Schönheiten von Village 2 beim Duschen beobachtet, ist schon beinahe legendär. Insofern habe ich kein allzu schlechtes Gewissen, da ich meine, dass, wenn man sich ein Nomadendasein aussucht, man auch dazu stehen und nicht in Studentenheimen bei den sanitären Einrichtungen mitschmarotzen soll, ganz zu schweigen von einigen schwarzen Schafen, die sich dann im Wohnheim danebenbenehmen und gegen die man keine Handhabe hat. Und doch … irgendwie haben sie mir schon leid getan. Vielleicht öffne ich ihnen das nächste Mal doch die Türe, wenn sie duschen möchten …

In diesem Sinne wünsche ich meinen Lesern noch einen angenehmen Abend und hoffentlich bis nächste Woche!

P.S.: Wer könnte sich in Österreich vorstellen, dass es im Jänner Mücken gibt? Immerhin hat sich mein Kakerlakenproblem verringert, meine kleinen Freunde sehe ich nur noch selten. :( Dafür hat Nachbar Omar meinen Rekord gebrochen; er hat heute ca. 60 Kakerlaken exterminiert. Das tapfere Schneiderlein würde vor Neid erblassen.

Le nouveau maître des cafards.
Le nouveau maître des cafards.

P.P.S.: Noch ein schönes Lied zum Ende.