Meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu dieser achtundzwanzigsten Ausgabe meiner Abenteuer in Frankreich! :)

Am Montag fuhr ich mit meinem Cousin Mino mit dem Fahrrad in das idyllische Fischerdörflein Le Grau-du-Roi, bzw. an den nahegelegenen Strand Pointe de l’Espiguette. Was mir auffiel, war die allgemein vorherrschende Menschenleere in der Region, die sich schon bemerkbar machte, als wir etwas außerhalb von Le Grau-du-Roi ein Baguette kaufen wollten und alle Bäckereien geschlossen hatten. Es scheinen große Gebiete nur zur Hauptsaison bewirtschaftet zu werden, die dann den Rest des Jahres komplett brachliegen. Am Strand war es auf jeden Fall sehr schön (hier gab es auch im Gegensatz zu La Grande-Motte Dünen!), auch wenn die Wassertemperatur nicht gerade zur baignade einlud. Wir genossen unsere selbstgemachten Sandwiches und ließen uns in der Sonne leicht knusprig anbräunen. Mmmmhhhh …

Pointe de l'Espiguette.
Pointe de l'Espiguette.

Am Dienstag wollte ich mir einmal eine Auszeit vom Familienleben gönnen und machte mich auf den Weg nach Montpellier, das ich ja schon ein wenig kannte, da ich vor ca. sechs Jahren schon einmal dort war. Ich promenierte ein wenig durch die Straßen der Altstadt, wo ich auf ein Stadtmuseum (Musée du Vieux Montpellier) stieß, das allerdings leider nicht sehr anschaulich war: Es waren ein paar Gegenstände und Bilder ausgestellt, aber es gab dazu kaum Erklärungen, und die einzige Angestellte gab frei von der Leber weg zu Protokoll, sich eigentlich nur für Photographie zu interessieren und sich überhaupt nicht mit dem Museum auszukennen. :/ An diesem Tag wollte ich eigentlich meine Zugbekanntschaft Sarah treffen, die sich ja in Montpellier aufhielt, aber leider hatte sie an dem Tag keine Zeit, bot mir allerdings für den nächsten Tag ein rendez-vous an. So tröstete ich mich mit einem üppigen Mittagessen über diesen Umstand hinweg und traf mich nachher noch mit Omar und dessen Freund Anoir, der in Montpellier studiert und Omar auch während dessen Zeit in Montpellier aufgenommen hatte. Zusammen streiften wir ein wenig durch die Stadt, immer mehr Richtung Quartier Antigone strebend, wo wir die moderne Architektur bestaunten und uns dann am Flussufer des Lez einigen Mutproben hingaben. Gar nit letz.

Avec Omar et Anoir à Antigone.
Avec Omar et Anoir à Antigone.

Als die Schatten länger wurden, die T-Shirts zu kurz und uns die Dämmerung ihr dunkles Antlitz entgegenreckte, war es für mich “time to say goodbye”, und ich begab mich mit dem “Hérault Transport” per Bus von Montpellier zurück nach La Grande-Motte. An diesem Abend entdeckte ich das französische Fernsehen (bin ja sonst komplett fernsehabstinent); besonders eine Sendung auf France 2 tat es mir an: “N’oubliez pas les paroles”, also zu deutsch “Liedtext nicht vergessen!”. In dieser Serie müssen die Kandidaten Karaoke singen, aber ab einem gewissen Punkt im Lied wird der Liedtext nicht mehr eingeblendet, und die Kandidaten müssen den Liedtext einige Zeit aus dem Gedächtnis weitersingen. Eine, wie ich meine, sehr niveauvolle Sendung, die auch zur Pflege der französischen chansons beiträgt. Zu schade, dass man so etwas in Österreich vermutlich nicht machen kann, weil nicht genügend bekannte österreichische Lieder vorhanden und die vorhandenen nicht so sehr im allgemeinen Bewusstsein verankert sind … Im Gegensatz dazu steht mein Cousin stellvertretend für Frankreich, wenn er bei dieser Sendung so gut wie alle Lieder kennt und in vielen Fällen auch noch den Text dazu. Dann die Nachrichten; der Norden Frankreichs versinkt im Schnee. Ausnahmezustand. Aus jeder betroffenen Region werden die gleichen Bilder geschickt und immer wieder neue Korrespondenten berichten von derselben Lage. Nach ca. 20 Minuten der hochgepeitschten Emotionen noch ein klitzekleines Reportägchen über das französische Budget (ein Schelm, der böses dabei denkt). Mit Bildern von Schneetreiben und Chansons gehe ich dann schon gegen 22 Uhr ins Bett … die Anpassung an das französische Familienleben schreitet notgedrungen voran, wenn man jeden Tag spätestens um 7 Uhr morgens geweckt wird.

Am Mittwoch: Katzenjammer. Kopfweh. Halsweh. Schwäche. Müdigkeit. Schnupfen. Taschentuchpyramide. Rendez-vous abgesagt. Papst gewählt.

Am Donnerstag: Ähnlich wie am Vortag, aber schon etwas besser, und an François I haben wir uns auch schon gewöhnt. Ich gönne mir am Nachmittag sogar einen Strandspaziergang, bevor ich mit meinem Betreuer in Innsbruck wegen meiner Masterarbeit telefoniere. Ich berichte ihm von meiner Arbeit, die ich am Mittwoch und Donnerstag krankheitsbedingt mangels alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten weitergetrieben hatte, woraufhin er mir wünschte, dass ich noch einige Zeit weiterhin krank sein möge. ;)

Promenade à la plage.
Promenade à la plage.

Dieser Wunsch sollte allerdings ein frommer bleiben, denn am Freitag war ich wieder weitestgehend wiederhergestellt, und da ich in meinen Ferien nicht weiter stubenhocken wollte, machte ich mich mit einem Bus des Unternehmens Edgard (benannt nach dem Département Gard, wo es operiert) in die Stadt Nîmes auf. Dabei zahlte ich für die ca. eineinhalbstündige Fahrt über 50km einen sensationellen Preis von 1,50€, da alle Busfahrten mit Edgard streckenunabhängig soviel kosten. Man vergleiche damit die sensationell unverschämte Preisgestaltung des VVT, wo ich schon für die ca. zehnminütige Fahrt über 3km von der Technik bis zur Cyta 2,70€ blechen dürfte, wenn ich mir das je antäte! In Nîmes angekommen habe ich erst einmal die Stadt ein wenig erkundet und entschied mich dann für einen Besuch der Arènes, von außen frappant dem römischen Kolosseum ähnelnd. Beim Eingang wurde ich allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass Einzelpersonen aus “Sicherheitsgründen” derzeit nicht in die Arènes dürfen. Erste Reaktion: WTF? Zweite Reaktion: Na gut, die Stadt Nîmes will menschliche Begegnungen fördern; suche ich mir also eine Reisegruppe. Das war allerdings nicht ganz einfach, da an diesem Tag in Nîmes nicht so viele Touristen unterwegs waren (im Gegensatz zu Innsbruck fehlten z.B. Asiaten fast vollständig im Stadtbild). Dafür traf ich ein paar Nîmois, die mich ein wenig durch die Stadt führten – sehr cool. :) Von ihnen erfuhr ich auch, dass der Eintritt in die Arènes für Einzelpersonen deshalb verboten ist, da in der näheren Vergangenheit einige Besucher dort Selbstmord begangen hatten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die findigen Selbstmörder sich à la norway.today zusammentun und dann der Zugang zu den Arènes komplett gesperrt wird … kopfschüttel

Mes guides nîmois.
Mes guides nîmois.

Am Nachmittag fand ich dann endlich vor den Arènes zwei Touristinnen, mit deren Hilfe ich in die Arènes einsteigen konnte. Dort erwartete mich ein sehr gut erhaltenes römisches Amphitheater, das auch eine schöne Übersicht über die Stadt erlaubte. Sah an diesem Tag von Selbstmord ab, da das Wetter so schön war.

L'amphithéâtre.
L'amphithéâtre.

Nach den Arènes eilte ich noch per pedes auf die Tour Magne (“großer Turm”), die sehr, sehr idyllisch in einem schönen Park an der Spitze eines Hügels gelegen ist. Würde die Lage am ehesten mit Schloss Ambras vergleichen. Der Park war im Nachhinein gesehen eigentlich das schönste an Nîmes; schade, dass ich ihn erst so spät entdeckte.

Le parc.
Le parc.

Nach dem Turmaufstieg hetzte ich zurück zur Maison Carrée, ein ebenfalls sehr gut erhaltener Tempel aus der Römerzeit, der mittlerweile Vorführungsort eines 3D-Films über die Stadt Nîmes ist. Der Film war zwar cool, aber das 3D ist nicht so ganz meine Sache … meine Augen haben wohl nicht nur wegen der traurigen Handlung so getränt.

La Maison Carrée.
La Maison Carrée.

Den Tag ließ ich auf einem hübschen Plätzchen ausklingen, dann gemächlich zum Bahnhof flanierend, wo ich auf meinen Bus mit einem gemütlichen Zeitpolster warten wollte. Doch, oh Schreck! Ich hatte im Kopf, dass der Bus um 19:30 Uhr abfährt, dummerweise war das die Abfahrtzeit des letzten Busses aus Montpellier und nicht aus Nîmes, der nämlich schon um 19:10 abfuhr! So hatte ich also den letzten Bus aus Nîmes elegant verpasst. Wohnt man in einer solchen Situation auf dem Land, ist einem anzuraten, ein Hotel zu nehmen, denn es ist unmöglich, irgendwie doch noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln am selben Tag zu sich nach Hause zu kommen. Ich konnte allerdings mit dem Zug nach Montpellier fahren (9,30€ – autsch), wo mich mein Cousin netterweise abholte. Merci une autre fois!

Am Samstag unternahm ich wieder einmal etwas mit meinem Cousin; wir fuhren nämlich nach Sète, eine Hafenstadt. Dort kletterten wir auf einen Hügel, von dem aus wir einen schönen Ausblick über die Region und das Meer hatten. Dann bemerkten wir, dass um 15 Uhr nachmittags in Sète kein Restaurant mehr Essen anzubieten scheint, weshalb wir nach Montpellier fuhren und uns dort im “flunch” restaurieren ließen. Letzteres ist ein Art französisches McDonald’s, aber von recht guter Qualität. ;) Nach dem flunch noch Einkauf im Auchan, und dann zurück in die Motte, wo ich das Büro von meinem Cousin besichtigen konnte.

Au bureau.
Au bureau.

Am Sonntag war einmal wieder ein richtig schiaches Wetter, sodass wir uns einen feinen Tag à l’intérieur machten. Zu Mittag gab es Muscheln vom (mutmaßlich schwulen) Muschelverkäufer “Admiral von Schneider” (von uns so benannt wegen seiner schneidigen Uniform) gegenüber, der sich anscheinend schon nach mir erkundigt hatte, als mein Cousin die Muscheln abgeholt hatte. ;) Nach den Muscheln war ich ziemlich erledigt, ließ es mir allerdings nicht nehmen, noch einmal mit Rémy Fußball spielen zu gehen, bei mehr oder weniger tröpfelndem Regen.

Monsieur Tigre.
Monsieur Tigre.

Es fiel mir schwer, mich von meinen Gastgebern zu verabschieden; zu schön war es bei ihnen gewesen. Durch sie habe ich auch einen Einblick in das französische Familienleben bekommen, der für mich sehr interessant war. Studenten sind ja doch für die Gesellschaft nicht unbedingt repräsentativ … Ich hoffe auf jeden Fall, dass bis zu unserem nächsten Treffen nicht wieder sechs Jahre vergehen müssen, weil dann müsste ich mir ja wieder alle ihre Namen auswendig merken … :) Falls ihr das lest: Danke nochmals für eure außergewöhnliche Gastfreundschaft, ich habe mich bei euch wirklich wie zuhause gefühlt. Die Zugfahrt nach Bordeaux lief problemlos ab, und gegen Mitternacht fiel ich dann in Village 2 todmüde ins Bett. Hätte im Bus nach Village 2 noch beinahe meine Geldtasche verloren, aber dank meiner Angewohnheit, vor jedem Aufbruch mein Handy, meine Schlüssel und meine Geldtasche zu lokalisieren, bemerkte ich die Abwesenheit der Geldtasche noch im Bus, wo ich sie dann am Boden liegend entdeckte. Uff.

An dieser Stelle noch ein Nachtrag aus der Serie “Häusliche Tipps und Tricks” von letzter Woche: In Bordeaux war es einige Zeit lang recht windig, weshalb meine Zimmertüre immer wieder gegen den Türrahmen geschlagen hat, da sie nicht auf dem Türrahmen fest auflag, sondern zwischen Rahmen und Türe ein kleiner Zwischenraum war. Nach einer eingehenden Analyse des Problems entschied ich mich für meinen Lieblingswunderwerkstoff – nicht Graphen, sondern Tixo! So wollte ich mehrere Schichten Tixo auf den Türrahmen kleben und somit den Zwischenraum füllen, merkte allerdings bald, dass die einzelnen Tixoschichten zu dünn sind, weshalb ich dazu überging, aus Tixo eine ovale Rolle zu formen, die ich immer wieder prüfend in den Zwischenraum schob, bis die Rolle dick genug war, an welchem Punkt ich dann die Rolle an den Türrahmen klebte. Seither ist meine Türe still, und ich kann auch bei stärkstem Wind konzentriert arbeiten, wenn nicht gerade einmal wieder irgendein Nachbar seine Liebe zu Subwoofern auslebt. ;)

Ad laborem: Meine Masterarbeit habe ich während meiner Kurzferien mehr oder weniger ruhend gestellt und nehme ab morgen wieder die Arbeit daran auf. Hoffentlich gelingt mir bald der Durchbruch mit meiner aktuellen Beweisstrategie, denn dann könnte ich mich endlich mit Vollgas an dessen Umsetzung machen.

Meine lieben Leser, ich hoffe, ihr hattet auch eine schöne Woche, und ich hoffe, euch bald wieder hier begrüßen zu können! :)