Tram-Informationstag in Hötting-West
Straßenbahnen faszinieren mich grundsätzlich sehr. Neben den praktischen Gründen wie der Größe, der Abgasfreiheit oder der weniger ruckligen Fortbewegung (im Vergleich zum Bus) zieht mich dabei auch das Gefühl von Urbanität an, das eine Straßenbahn einer Stadt verleiht. Seien wir uns ehrlich: Busse fahren in jedem Kaff, aber eine Straßenbahn ist eine besondere Auszeichnung.
In manchen Städten haben es Straßenbahnen sogar zu Wahrzeichen gebracht: Bei San Francisco denkt man an steile Straßenzüge und an die “cable cars”, und auch z.B. in Bordeaux findet sich die Straßenbahn bei Stadtbeschreibungen und Werbebroschüren immer wieder an prominenter Stelle. Ich kann mich außerdem noch gut an das erinnern, was mir mein Freund Romaric in Bordeaux erzählt hat: Vor dem dortigen Tramausbau seien die Vorstädte Talence und Pessac verkehrsmäßig sehr bescheiden erschlossen gewesen, und die beiden Vorstädte hätten seit dem Tramausbau eine enorme Aufwertung genossen.
Umso mehr hat es mich gefreut, dass auch in Innsbruck der Tramausbau vorangetrieben werden sollte – und dann gleich in mein Heimatviertel, Hötting-West. Nun ist die Situation in Hötting-West zwar nicht vergleichbar mit Talence/Pessac, da wir ja in Hötting-West schon eine sehr leistungsfähige Buslinie in die Innenstadt haben, aber ich erwarte mir dennoch eine gewisse Aufwertung des Stadtteils.
Gestern fand also ein Informationstag zu den Ausbauplänen in dem Kolpinghaus in Hötting-West statt, zu dem ich mich ebenfalls einfand. Ich erwartete mir, dort ein paar Fragen stellen zu können betrefflich des Endausbaus der Straßenbahn, und nahm an, dass die restlichen Besucher des Treffens dem Straßenbahnprojekt auch mehrheitlich wohlgesonnen sein würden. Welch naive Annahme! Nach der Vorstellung des Projekts durch die Innsbrucker Bürgermeisterin, durch den IVB-Chef und durch weitere Verantwortliche aus Stadt und Verkehrsbetrieben kamen dann die ersten “Fragen”, die oft kaum mehr als verhüllte Anschuldigungen gegen die Verantwortlichen waren. Das Gesprächsklima war extrem heiß, und die allerkritischsten Kommentare aus dem Publikum erhielten oftmals am allermeisten Applaus.
Warum diese heißen Reaktionen? Warum dieser Widerstand? Es erschien mir von höchster Wichtigkeit, die Gründe für diese Emotionen zu verstehen.
Und ich glaube, genau die Gründe ausgemacht zu haben. Die Menschen sind zu dieser Veranstaltung gekommen mit der Erwartungshaltung, noch etwas an den Plänen ändern zu können. Viele von ihnen haben scheinbar erst vor kurzem mitbekommen, dass die Tram nach momentanen Plänen in ihre Gegend fahren wird, und haben sich davon überrumpelt gefühlt. Auf diese Vorwürfe hin reagierte die Bürgermeisterin mit dem Hinweis, dass es in der Innenstadt ja schon Informationsveranstaltungen gegeben hätte mit tausenden Teilnehmern, und dass die Pläne ja schon länger ausgelegen hätten und in Medien darüber berichtet worden sei. Dabei glaube ich, dass sie einen wichtigen Punkt übersehen hat: Hötting-West ist nicht Innsbruck. (Provokant gesagt.) Damit meine ich, dass die Menschen in den eher azentralen Lagen der Landeshauptstadt tendenziell weniger vom Stadtgeschehen mitbekommen als z.B. ein Bewohner der Altstadt. Daher haben die Leute auch nichts gewusst, daher haben sie sich übergangen gefühlt. Ich konnte nicht umhin, an das Buch “Per Anhalter durch die Galaxis” von Douglas Adams zu denken, in dem der Protagonist Arthur Dent damit konfrontiert wird, dass eine Umgehungsstraße durch sein Haus gebaut werden soll – auf seinen Protest hin wird ihm entgegnet, dass die Pläne ja schon seit Jahren auf dem entsprechenden Amt vorgelegen wären. Es ist vielleicht eine Ironie des Schicksals, dass Douglas Adams die Idee zu seinem Buch hatte, als er in Innsbruck war.
Was kann man also als Politiker besser machen, um in solchen Fällen nicht mit dem Vorwurf des Darüberfahrens, des Überrumpelns konfrontiert zu werden? Ein Kommentar aus dem Publikum lautete: “Sie kommen zwei Jahre zu spät!” Und das ist der Knackpunkt. Der überwiegende Teil des Publikums war ja durchaus für eine Straßenbahn, aber die Streckenführung erschien von außen, von “denen da oben”, aufgezwungen. Hätte man eine ähnliche Veranstaltung vor zwei Jahren veranstaltet und den Menschen die Möglichkeit gegeben, dort über mögliche Lösungen zu diskutieren, als noch Änderungen vorgenommen werden hätten können, dann hätten sich die Leute ernst genommen gefühlt. Wichtig dabei wäre gewesen, eben eine solche Veranstaltung wie gestern direkt vor Ort, also im betroffenen Viertel zu führen, da man dort am meisten der Betroffenen erreicht, und die Veranstaltung entsprechend prominent anzukündigen. Gestern waren nämlich viele auch nur aus Zufall anwesend, da die Veranstaltung meines Wissens nach nur auf einem einzigen Plakat am Kolpinghaus selbst angekündigt war, und z.B. nicht in einem der umstrittensten Tramausbaugebiete, den Peerhöfen.
Die Bürger allerdings vor vollendete Tatsachen zu stellen, vor allem, wenn man eine Diskussion (und keine Fragestunde) ankündigt, war jedenfalls ein nicht so kluger Schachzug. Bei der sonst meiner Meinung nach exzellent geleisteten Vorarbeit der Verantwortlichen ist das ein Punkt, der sicherlich noch Verbesserungspotenzial birgt.
Ich war jedenfalls recht zufrieden damit, zu der Veranstaltung gegangen zu sein. Nach dem Ende der Publikumsdiskussion angelte ich mir noch einen Stadtrat der Grünen, der meine Fragen ausführlich beantwortete. Die Tram wird demnach leider erst voraussichtlich 2016–18 vor meiner Haustüre ankommen. Aus heutiger Sicht unglaublich, dass im Jahre 1912 die Mittenwaldbahn mit einer 30km lange Strecke im hochalpinen Gebiet nach weniger als drei Jahren Bauzeit fertigstellte, wo man heute in derselben Zeit gerade einmal eine 3km lange Strecke im Stadtgebiet erbaut.