Vinkeveen
Die Woche begann mit einer kulinarischen Entdeckung. Wir fuhren mit dem Fahrrad in das Zentrum von Amstelveen, wo neben einem großen Einkaufszentrum namens “Amstlvn” auch ein Museum für moderne Kunst namens “Cobra” zu finden ist. Das Museum, wie so ziemlich alle in den Niederlanden, war allerdings diese Woche geschlossen. Geöffnet war jedoch ein Markt vor dem Einkaufszentrum, wo eine Vielzahl von Händlern ihre Waren wohlfeil boten. Besonders zog mich der Stand mit dem “vis” an, wo es “broodje haring” gab, also “Heringsbrötchen”. Das ist eine niederländische Spezialität, bei der ein Hering zusammen mit Essiggurken und Zwiebel in einem Brötchen verpackt wird. Die andere Art, Hering in den Niederlanden zu essen, besteht anscheinend darin, den Fisch von oben in den Mund baumeln zu lassen und dann einfach zuzubeißen, unterbrochen von gelegentlicher Einnahme von Zwiebelstücken. Da mir diese Art der Herings-Konsumation doch etwas zu archaisch war, wagte ich lieber den Einstieg mit dem broodje haring. Und ich muss sagen, das war es schon wert! Etwas ungewohnt war es für mich, dass der Fisch ohne Sauce serviert wird, doch die Zwiebelstückchen zusammen mit den Essiggurken machen das leicht wett. Ein echter Niederländer würde den Häring vermutlich noch mit einer Portion Fritten abrunden, aber Fritten waren leider weit und breit nicht zu bekommen.
Am Mittwoch brach ich auf zu neuen Ufern und entdeckte am späten Nachmittag einen neuen Radweg nach Uithoorn. Während der alte Radweg immer die Amstel entlang über Ouderkerk und Nes führte, was viele Schlenkerer und Autoverkehr bedeutete, führt der neue Radweg kerzengerade und autofrei über einen sogenannten Polder, also ein Gebiet, das sich unterhalb eines nahen Gewässers befindet. Über diesen Polder nördlich von Uithoorn fahren auch bei vollkommener Dunkelheit immer wieder Radfahrer, was bei nicht vorhandener Straßenbeleuchtung eine geradezu mystische Stimmung erzeugt und einen meditativen Charakter hat, da die Umgebung ja nur aus Flachland besteht und wenige Orientierungspunkte bietet.
Am Samstag machten wir dann noch eine weitere Radtour, und zwar nach Vinkeveen. Vinkeveen befindet sich knapp außerhalb der Provinz Noord-Holland (in der auch Amsterdam liegt, wenn auch deren Hauptstadt lustigerweise das deutlich kleinere Haarlem ist), und zwar in der Provinz Utrecht. Kurz vor Verlassen der Provinz Noord-Holland kamen wir durch den Ort Waver, der uns besonders pittoresk vorgekommen ist, mit vielen Schafen, Gänsen, hübschen Bauernhäusern und sogar einem kleinen B&B. (Die für Holland obligatorische Mühle fehlte jedoch.) Vinkeveen liegt an einem großen Wassergebiet namens Vinkeveense Plassen, welches von radial von dem Ort ausstrahlendem Land durchzogen wird. Diese besonders auf Satellitenbildern gut erkennbare Struktur könnte dadurch motiviert sein, möglichst vielen Booten eine Anlegefläche zu bieten. Vom Fahrrad aus lässt sich leider von der auffälligen Struktur kaum etwas erkennen. Deutlich leichter lässt sich der Reichtum der Einwohner Vinkeveens beobachten, und zwar bei einer Fahrt über die Brücke durch die Vinkeveense Plassen, bei der eine Unzahl von Villen (viele könnten direkt aus einem Katalog “Modernes Wohnen” stammen) mit protzigen Autos auffallen. Die Rückfahrt begingen wir dann im Dunkeln, was deutlich angenehmer war als die Hinfahrt, weil der Verkehr deutlich verringert war. Dabei fuhren wir eine Zeit lang an einer Autobahn entlang, wobei uns angenehm auffiel, wie leise die Autobahn war. Ein relativ konstantes Rauschen, was es ermöglichte, sich direkt neben der Autobahn einwandfrei unterhalten zu können. Das mag daran gelegen haben, dass hauptsächlich Pkws unterwegs waren, und so gut wie keine Lkws oder Motorräder. Mir fiel auf jeden Fall der Kontrast zu der Inntalautobahn auf, die mir deutlich lauter vorkommt. (Außer natürlich in Lockdown-Zeiten. ^^)
Am Abend des Samstags unterzeichneten wir dann endlich den Vertrag unserer neuen Wohnung in der Esmoreitstraat, womit wir somit ab Dezember gesichert zu Amsterdamer Bürgern werden. Ein bisschen werde ich die unmittelbare Nähe zu der Natur schon vermissen, aber die Flugzeuge werden mir definitiv nicht abgehen. À propos: Seit letzter Woche ist der Fluglärm recht deutlich zurückgegangen, was unsere Lebensqualität deutlich verbessert hat.