Verhuizing
Umzugsbedingt erscheint dieser Artikel etwas verspätet. Ich nehme Bezug auf die Ereignisse der letzten Woche, als wäre dieser Artikel am letzten Sonntag geschrieben.
Am Dienstag Vormittag fuhren wir mit dem Fahrrad in den Süden, nämlich nach Nes aan de Amstel, wo ich Mathilde die Kirche (leider nur von außen) zeigte. Bei der Rückfahrt nach Amstelveen hatten wir einen extremen Gegenwind, der unsere Geschwindigkeit um mehr als die Hälfte reduzierte.
Am Nachmittag wurde uns unsere neue Wohnung in der Esmoreitstraat übergeben. Die Rollen: Makler W. (aus Friesland), “Property Manager” R. (aus Rotterdam), und Reinigungskraft, vulgo Putzfrau (vermutlich aus Polen). Die Wohnungsübergabe lief etwas wirr ab. Anscheinend hatten die Vormieter die Wohnung in einem wenig appetitlichen Zustand hinterlassen, weshalb eigens eine Putzfrau engagiert hatte werden müssen. Doch diese schien zu wenig Zeit zum Putzen gehabt zu haben, weshalb sich zwischen ihr und R. eine heftige Diskussion (auf Englisch) entwickelte, die wir im Hintergrund mitbekamen, während wir die Wohnung besichtigten. Die Nerven schienen bei W. und R. jedenfalls blank gelegen zu sein. Uns fielen jedenfalls recht schnell einige Unappetitlichkeiten auf, wie zum Beispiel einen sehr fettigen Gitterrost, verdrecktes Geschirr (die Wohnung ist möbliert), Schimmel im Bad, und generell einiges an Staub. W. und R. baten uns jedenfalls um einen weiteren Tag, an dem die Putzfrau noch einmal ihr Bestes geben würde, um uns eine saubere Wohnung zu hinterlassen. So stimmten wir zu, der Putzfrau den Mittwoch zu lassen, um die Wohnung noch einmal auf Vordermann zu bringen. R. erklärte uns jedenfalls noch einiges Wissenswerte und weniger Wissenswerte zur Wohnung. So empfahl er uns vor einem Auszug die Inanspruchnahme von “professional cleaning”, da eine professionelle Reinigungskraft an Orten putzte, an die ein Normalsterblicher gar nicht dächte. Dies wurde in den folgenden Tagen unser running gag, nachdem wir zizerlweis auf immer mehr schmutzige Stellen stießen. Weiters erfuhren wir, dass die Wohnung so gut isoliert sei, dass man ohne die Lüftungsschlitze über den Türen Gefahr liefe, zu ersticken. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob diese Sätze Ausdruck eines sich mir noch nicht erschließenden niederländischen Humors waren, oder ob R. sie ernst gemeint hat. (Ich hoffe ersteres.) Die Nebenkosten in den Niederlanden sind jedenfalls, wie die Preise generell, gesalzen. Das Internet bei dem (laut R. & W.) Quasi-Monopolisten Ziggo kostet jedenfalls in der billigsten Variante (50Mbit/s) 531€/Jahr. (Vergleiche mit dem IKB-Tarif von 323€/Jahr für die selbe Geschwindigkeit.) Weiters wurde uns durch R. und W. versichert, dass man ein niederländisches Bankkonto zur Bezahlung des Internetanschlusses benötige. Auch bei anderen Internet- und Energieanbietern stießen wir auf solche — pardon — Anachronismen, die umso absurder erscheinen, wenn man bedenkt, dass mittlerweile sogar schon französische Krankenversicherungen österreichische Konten akzeptieren. Sind wir hier in Europa oder was? Jedenfalls kommt da eine Menge administrativer Unannehmlichkeiten auf uns zu … Am Abend des Dienstags kehrten wir jedenfalls wieder nach Amstelveen zurück, um der Putzfrau für den nächsten Tag freie Bahn zu lassen.
Wir kehrten am Mittwoch zurück nach Amsterdam, wo die Putzfrau das Erscheinungsbild deutlich verbessert hatte. Der Schimmel im Bad war weitgehend eliminiert, die schlimmsten Fettrückstände ebenfalls … Dennoch war es an einigen Stellen so staubig, dass ein Durchgang mit dem Staubsauger dringend notwendig war. Wir weihten die Küche durch das Kochen von Ofengemüse ein, was uns zuvor durch das Fehlen eines Ofens verwehrt gewesen war.
Am Donnerstag wurde mein neues Klavier geliefert! Um ca. elf Uhr vormittags klingelte es, und ein Lieferant brachte ein riesiges Paket mit dem Klavier, das er allerdings vor der Haustüre stehenließ und womit er mir viel Spaß wünschte. Was ich allerdings nicht geahnt hatte, war, dass es sich um ein einziges Paket anstatt (wie von mir angenommen) mehrere kleine handelte, und dass dieses Paket saftige 96kg wog. Wie bekommt man 96kg über die Haustürschwelle, und vor allem: Wie bekommt man 96kg in den ersten Stock ohne Aufzug über eine enge Treppe? Nachdem Mathilde und ich zu zweit das Paket nicht anheben konnten, fragte ich einen zufällig vorbeikommenden Maler, der sich unser annahm und mir half, das Paket in das Hausinnere zu tragen. Mathilde, die mithalf, zog sich dabei leider an der Hand einen ordentlichen Schiefer ein, wodurch ihre Hand heftig zu bluten begann und sie sich vorerst zurückziehen musste. Einmal im Hausinneren nahm das Paket prompt den gesamten Eingangsbereich ein. (Dies erwähne ich, um einen Eindruck der Größenverhältnisse des Hauses zu erwecken.) Nun war guter Rat teuer: Wie bekommen wir dieses Biest in den ersten Stock, vor allem mit der beeinträchtigten Hand von Mathilde? Ich beschloss, das Paket schon im Gang zu öffnen, wobei eine Metallklammer ein großes Loch in die Daunenjacke riss, die ich zu dem Zeitpunkt trug. Es stellte sich heraus, dass das schwerste Einzelteil des Klaviers gleich zuoberst im Paket lag. Nachdem das Paket immer noch die Türe eines Nachbarn vollständig blockierte, läutete ich an, um mich bei dem Nachbarn für die Unannehmlichkeit zu entschuldigen. Es öffnete ein Asiate, der mir gleich zu verstehen gab, dass es hier nicht wohne und nur zum Putzen da sei. Da er recht kräftig aussah, bot ich ihm ein kleines Entgelt an, wenn er mir hülfe (?), das schwerste Einzelteil des Klavier in den ersten Stock zu tragen, was er auch nach kurzem Zögern tat. Er verweigerte allerdings die Annahme einer finanziellen Vergütung seines Dienstes, wofür ich mich hier an dieser Stelle nochmals herzlich bedanken möchte! Die restlichen Teile des Klaviers waren dann leicht zu tragen, und somit schlossen wir die Operation erfolgreich ab. Im Nachhinein gesehen hatten wir großes Glück, dass wir so nette und hilfsbereite Leute getroffen hatten und es zum Beispiel nicht — wie für die Niederlande üblich — geregnet hatte. Da wir für die Handverletzung von Mathilde in der neuen Wohnung kein Desinfektionsmittel hatten, beschlossen wir, nochmals nach Amstelveen in die alte Wohnung zu fahren. Dort blieben wir sozusagen picken, und zwar mehr oder weniger bis zum Sonntag.
Am Freitag machte ich auf meiner täglichen Radtour spontan Zwischenstation bei einem Landsmann, nämlich meinem Arbeitskollegen Gabriel Ebner, der ebenfalls in Amstelveen seine Zelte aufgeschlagen hat. Das war zugleich mein erster Besuch in den Niederlanden bei einer Privatperson in diesem Jahr.
Am Samstag unternahmen wir einen Ausflug mit dem Fahrrad nach Aalsmeer. Da wir aus dem Haarlemmer Debakel der Vorwoche gelernt hatten, zogen wir uns beide sehr viele Kleidungsschichten an, was das Radfahren und Flanieren in Aalsmeer deutlich angenehmer gestaltete. In Aalsmeer fiel uns die sehr große Dichte von Autos mit polnischem Kennzeichen auf, und unser Eindruck, dass es sich in Aalsmeer um “Little Poland” handelte, wurde bestätigt durch einen Aushang der niederländischen Polizei an einer Kirche, der (ausschließlich) auf Polnisch verfasst war. Wir aßen landestypisch broodje haring, gefolgt von einer doppelten Portion “Fritten mit”, worunter der geübte Niederländer “Fritten mit Mayonnaise” versteht. Aalsmeer machte einen recht süßen Eindruck, wobei mich am meisten die traditionelle Mühle beeindruckte, die für mich die erste der Niederlande war, die ich mit sich drehenden Flügeln sah. Nach unserer Mahlzeit verkrümelten wir uns recht schnell wieder, da die sinkenden Temperaturen trotz unserer ausgiebigen Bekleidung einem längeren Aufenthalt entgegenstanden.
Am Sonntag fand unser Umzug statt. Dieser Tag war prädestiniert dafür, da der Sonntag der einzige Tag der Woche ist, an dem man in Amsterdam (zumindest in der Esmoreitstraat) gratis parken kann. Nachdem in Amstelveen Parken bis 9 Uhr morgens und am ganzen Wochenende gratis ist, beschloss ich, bei Diks einen kleinen Kastenwagen in Amstelveen zu mieten, um Parkgebühren, die bei einer Autorückgabe in Amsterdam angefallen wären, zu vermeiden. Beim Abholen des Vehikels wurde mir allerdings eröffnet, dass ich nicht mit einer österreichischen Bankomatkarte bezahlen könne. Um den Erikativ zu gebrauchen: Argh! Nach der Rückfahrt in die Wohnung und Wiederkehr mit einer Kreditkarte wurde mir das Auto dann ohne weitere Probleme übergeben.
Beim Ausräumen der Wohnung wurde ich ziemlich nostalgisch, was mich selbst sehr erstaunte, da ich diesen Ort ja eigentlich ursprünglich sehr dringend verlassen wollte. Doch die Aussicht, aus dem beschaulichen Amstelveen in das ungleich größere Amsterdam zu ziehen, bereitete mir einiges an Sorgen und auch irgendwie Trauer. Ich hatte ja doch schon eine gewisse Routine entwickelt, inklusive meiner täglichen Radtouren in den Süden, die in dieser Form in Amsterdam ja nicht mehr praktikabel sein würden, und besonders der Besuch bei meinem Arbeitskollegen, dessen Wohnung und Haus mir sehr gut gefallen hatten, ließ mich ein wenig an unserer Entscheidung, nach Amsterdam zu ziehen, zweifeln.
Wir fuhren jedenfalls gegen 18 Uhr mit unseren Siebensachen nach Amsterdam, wo wir erst einmal eine Viertelstunde nach einem Parkplatz suchen mussten. Nachdem wir nur einen Platz in ca. 100m Entfernung von der Wohnung fanden, mussten wir unsere Sachen in ca. vier Etappen in die Wohnung tragen, wofür wir insgesamt gut eine Stunde benötigten. In Zwischenzeit war fast direkt vor unserer Wohnung ein Parkplatz freigeworden. (An dieser Stelle wäre wieder die Verwendung des Erikativs angebracht.) Nach der Rückgabe des Autos in Amstelveen fuhren wir wieder mit dem Fahrrad zurück von Amstelveen nach Amsterdam, wo ich mich beim Abstellen meines Fahrrads in den engen Fahrradständern (die in Amsterdam leider allgegenwärtig sind und deren Erfinder gestraft gehört) so schwer tat und darüber dermaßen in Rage geriet, dass ich samt meinem Fahrrad hinfiel und mir dabei ein Reflektor zerbrach. Vielleicht bin ich unwissentlich durch diese Aktion schon in den Niederlanden ein YouTube-Star … ;)
Ich wünsche meinen Lesern noch eine angenehme Woche und bis bald!