Willkommen im Jahr 2021! Beginnen wir den Rückblick dennoch im Jahre 2020 des Herrn, vielleicht später einmal bekannt als “annus coronae” …

Der 17. Dezember markierte unsere Fahrt von den Niederlanden nach Österreich. Unsere Zugfahrt verlief planmäßig bis zu unserem Umstieg in Frankfurt in einen ICE nach München, von da an wurde es interessant. :) Das automatische Buchungssystem der Deutschen Bahn hatte uns zwei Umstiege zugewiesen, nämlich einen von ca. eineinhalb Stunden in Frankfurt und einen von ca. einer halben Stunde in München. Es fuhr jedoch ein Zug schon ca. eine halbe Stunde nach unserer Ankunft in Frankfurt Richtung München, der uns erlaubt hätte, mehr Wartezeit in München zu verbringen und somit bei einem Ausfall eines Zuges die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, den Anschlusszug in München zu versäumen. Als ich der Schaffnerin des Zuges nach München bat, diesen früheren Zug nehmen zu dürfen, war sie meinen Argumenten gegenüber nicht sehr offen und wies darauf hin, dass ihr momentan keine Verspätung bekannt sei. So ließen wir eben diesen Zug (und alle Hoffnung) fahren und warteten eben wie vorgesehen noch eine Stunde in Frankfurt, ehe wir in den uns zugewiesenen Zug nach München stiegen … Dieser Zug war nur noch 25 Kilometer von Nürnberg entfernt, als er stehenblieb und uns durchgesagt wurde, dass aufgrund eines Personenschadens der Zug wieder bis Würzburg zurücksetzen und von dort über einen anderen Ort Nürnberg ansteuern würde. Geschätzte Verspätung: 120 Minuten. Mathilde fiel auf, dass unsere Mitreisenden auf diese Hiobsbotschaft sehr gefasst — wenn überhaupt — reagierten, was sie doch wunderte, da eine solche Durchsage laut ihr in Frankreich ganz anders aufgenommen worden wäre. Doch die Deutschen sind vermutlich Leid gewöhnt: Bei meiner ersten Fahrt von Paris nach Innsbruck nach dem ersten Lockdown hatte mir ein Passagier in Deutschland erzählt, dass sich ein Bekannter bei der Deutschen Bahn beworben hätte und bei der Zugfahrt zum Bewerbungsgespräch ebenfalls eine beachtliche Verspätung aufgesammelt hätte. Beim Bewerbungsgespräch auf seine Verspätung angesprochen, sei ihm die Verwendung des Autos für Dienstliches nahegelegt worden. :)

Doch ich schweife ab. Zurück also nach Würzburg. Nachdem wir endlich wieder knapp 25 Kilometer vor Nürnberg standen, blieb unser Zug erneut stehen. Die Durchsage erläuterte, dass es sich diesmal um eine Weichenstörung handle, die jedoch in wenigen Minuten behoben sei. Wenig später erklärte uns unser Zugbegleiter allerdings etwas zerknirscht, dass er im Moment nicht mehr über den Stand der Dinge wisse als wir Passagiere, da sich der Zug momentan in einem Funkloch befände und er dadurch keinerlei Kontakt zur Fahrdienstleitung aufbauen könne. Immerhin wurden kostenloser Kaffee und Wasser verteilt. Etwa zwanzig Minuten später rollte unser Zug dann allerdings wieder los, jedoch in Schneckentempo, was unser Zugbegleiter dahingehend erklärte, dass der Zug aufgrund einer Störung nunmehr auf Sicht fahren müsse. Endlich in Nürnberg angekommen, bemerkten wir, dass wir etwa drei Stunden für 25 Kilometer benötigt hatten. Immerhin bekamen wir gleich einen Zug nach München. Wir zitterten jedoch um unseren Anschluss nach Kufstein, da (wie immer) wenige Minuten den Ausschlag geben würden, ob wir um Mitternacht oder erst um ein Uhr nachts in Kufstein ankommen würden. Auch dieser Zug sammelte noch ein paar Minuten Verspätung ein, sodass ich mich beim Zugbegleiter erkundigte, ob der Zug Richtung Kufstein noch auf diesen Zug warten würde. Der Zugbegleiter erklärte mir jovial, dass er das noch nicht so genau beantworten könne und der Ausgang ungefähr so klar wäre wie der beim Roulette — fifty-fifty. Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass Zugfahren langweilig wäre. Letzten Endes entschied sich der Zug Richtung Kufstein, auf uns arme Gestrandeten zu warten, selbst als wir uns um noch ein ein paar zusätzliche Minuten verspäteten. Kurz vor dem Ausstieg trafen wir noch eine Mitreisende, die ebenfalls den Zug Richtung Kufstein nehmen wollte, und es stellte sich heraus, dass diese ebenso wie ich aus Amsterdam gekommen war und dort arbeitete, jedoch erst einige Stunden nach uns aufgebrochen war. Im Meridian angekommen lief dann alles wie am Schnürchen. Da jedoch inzwischen keine Züge mehr von Kufstein nach Innsbruck fuhren, holte uns mein Vater gegen Mitternacht am Kufsteiner Bahnhof ab. Nochmals einen sehr herzlichen Dank dafür! Wir kamen dann gegen ein Uhr nachts in Innsbruck an, also nur ca. vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit …

Dies alles wäre vermutlich nicht passiert, wenn uns die Schaffnerin in Frankfurt den früheren Zug nach München besteigen hätte lassen. Mittlerweile habe ich gelernt, dass man auf der Seite der Deutschen Bahn auch diese sicherere Verbindung auswählen kann, jedoch nur, indem man angibt, in München eine längere Wartezeit verbringen zu wollen. Es wäre allerdings deutlich schöner, wenn einem das System gleich die sicherere Verbindung anzeigen würde. Als Bahnfahrer muss man momentan leider eine Menge solcher Tricks kennen, wenn man die Verspätungswahrscheinlichkeit oder den Fahrpreis reduzieren möchte. Zum Beispiel gibt es auch den Trick, dass man eine sehr günstige Verbindung von Innsbruck nach Paris bekommt, wenn man mit den ÖBB einen Fahrschein von Innsbruck nach Basel und von dort aus mit der SNCF einen Fahrschein nach Paris kauft. Der Clou dabei ist, dass der eigentliche Umstieg in Zürich stattfindet, weshalb es vielleicht nicht auf der Hand liegt, eine Fahrkarte bis Basel zu kaufen. Kauft man einen Fahrschein für die volle Strecke von Innsbruck nach Paris über die SNCF, zahlt man deutlich mehr als mit diesem Trick. Dass man ohne die Kenntnis solcher Tricks deutlich schlechter aussteigt, ist im höchsten Maße kundenunfreundlich, und es muss sich dieses Gebaren ändern, soll die Bahn populärer werden. Momentan ist es wirklich noch ein Dschungel … Hier wäre eine Regulation durch die EU wirklich angebracht.

Genug der Bahn-Geschichten. Wir verbrachten jedenfalls eine schöne Zeit in Tirol, wobei wir Corona-bedingt deutlich mehr draußen als drinnen waren und somit fast jeden Tag Rodeln oder Wandern gingen. Die Einhaltung der Hygiene-Bestimmungen geriet manchmal zum Spießrutenlauf, zum Beispiel die Organisation einer Rodeltour mit fünf Leuten, bei der nur vier Leute mit dem Auto fuhren durften und die fünfte Person mit dem Bus fahren musste. Sollten diese Bestimmung den einkalkulierten Nebeneffekt haben, Unternehmungen so zu verkomplizieren, dass man davon gleich absieht, so haben diese Bestimmungen ihren Zweck voll erfüllt. Dennoch gingen sich ein paar Rodeltouren, wenn auch im kleineren Rahmen, aus, zum Beispiel auf die Kemater Alm, den Großvolderberg, die Stöcklalm (mit hervorragender Suppe im Take-Away auf der Naviser Hütte), sowie Maria Waldrast. Ernährt habe ich mich in dieser Zeit mittags überwiegend mit belegten Broten, als mehr oder weniger wie ein Niederländer. ;)

Aussicht von der Stöckl Alm.
Aussicht von der Stöckl Alm.

Am Freitag, den 1. Jänner, fuhren wir dann wieder mit dem Zug zurück in die Niederlande. Die Deutsche Bahn hielt sich diesmal brav an ihren Fahrplan und es waren wenige Menschen unterwegs, dank Silvester, dank Lockdowns. Für die Einreise in die Niederlande benötigten wir diesmal einen PCR-Test, den die Niederländer erst seit 29. Dezember einforderten. Wir hatten glücklicherweise rechtzeitig von dieser Anordnung erfahren, wenn auch mehr zufälligerweise. Diese Anordnung erscheint mir besonders ironisch, wenn man bedenkt, dass wir aus einem Gebiet mit deutlich niedriger Corona-Inzidenz kamen als Nord-Holland. Außerdem sahen wir in öffentlichen Plätzen in den Niederlanden (im Zug, im Bus, sowie auch in den Geschäften) deutlich mehr Leute als in Österreich, die die “mondkapje” mehr wie ein Designerstück keck unter dem Kinn trugen, wenn überhaupt. Mir erscheinen solche Anordnungen daher mehr wie ein Ausdruck der Verzweiflung, die eigenen Leute nicht im Zaum halten zu können.

Ich wünsche meinen Lesern noch ein gutes neues Jahr!