Avondklok
Diese Woche verlief recht unspektakulär. Die meiste Zeit verbrachte ich mit der Arbeit an meinem Artikel.
Am Montag Abend machte ich einen Ausflug durch Amsterdam mit Mathilde. Wir fuhren zuerst über den Rembrandtpark durch den Vondelpark, und von dort über das Rijksmuseum auf den Museumplein bis zum Concertgebouw. Dann wieder zurück in die Innenstadt, wo wir den Blick auf die beinahe menschenleeren Grachten genossen — es kommt der Gedanke an “Wie schön wäre Wien ohne Wiener” auf.
Am Mittwoch habe ich meinen Gastgeber an der Vrije Universiteit, Jasmin Blanchette, zum ersten Mal seit meinem Vertrag in Amsterdam leibhaftig getroffen. Wir haben dabei insbesondere über meinen in Arbeit befindlichen Artikel diskutiert, und ich hatte dabei das Gefühl, dass mir diese eintägige Diskussion in meiner Arbeit um mehr als eine Woche weitergebracht hat. Es geht doch nichts über persönliche Präsenz, ein gemeinsames Mittagessen und ein Blatt Papier, auf dem man nach Lust und Laune kritzeln kann.
Am Freitag konnte ich dem außergewöhnlich schönen Wetter nicht widerstehen und machte eine Tour vor die Tore von Uithoorn, so wie zu Amstelveener Zeiten. Diese Tour ist für mich leider nicht mehr so attraktiv, da sie von meinem momentanen Wohnort aus mittlerweile fast doppelt so lang ist (20km statt 10km – pro Richtung!).
Auf dem Rückweg machte ich dennoch Station an der Universität, wo ich gegen 15 Uhr leider niemanden mehr antraf. Dennoch genoss ich eine durch meine Radtour wohlverdiente Wiener Melange, die ich als Teil des Personals gratis genieße, so wie alle anderen Heißgetränke auch. Kurz nach meiner Ankunft an der Uni wurde mir durch eine Lautsprecheransage mitgeteilt, dass die Universität durch die heraufdämmernde Ausgangssperre (avondklok) schon um 20 Uhr ihre Pforten dicht mache.
Ja, ab dem Samstag Abend gilt nämlich in den Niederlanden eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis 4:30 Uhr, wozu sich die Niederländer erst nach heftiger Diskussion um die genaue Zeit durchringen konnten. Der Begriff der Ausgangssperre erweckt in den Niederlanden anscheinend noch deutliche Reminiszenzen an den zweiten Weltkrieg, als das Land von den Deutschen besetzt war. So wurde z.B. 1942 in Amsterdam eine Ausgangssperre ab 20 Uhr einen Monat lang als Strafmaßnahme eingesetzt, und gegen Ende des Krieges konnte es bei einer Verletzung der Ausgangssperre in anderen Orten schon geschehen, dass man einfach erschossen wurde. Insofern ist die momentane Ausgangssperre noch relativ zahm. :) Die Ausgangssperre ist trotzdem deutlich schärferer Natur als in Österreich: So muss während der Ausgangssperre (ähnlich wie in Frankreich) ein Formular mitgeführt werden, welches belegt, warum man draußen ist. Und die Ausnahmen sind deutlich enger gefasst als in Österreich; so darf man hinaus in Notsituationen, für die Arbeit, Reisen ins Ausland, oder für eine sogenannte uitvaart. Hinter der vermeintlichen “Ausfahrt” versteckt sich allerdings das niederländische Wort für “Begräbnis”, also sind “Ausfahrten” aus Gründen der Erholung oder zum Besuch des Partners kein triftiger Grund. Allein für das Ausführen von Hunden braucht es kein Formular. ;)
Ich bin relativ froh, dass diese Ausgangssperre im Winter schlagend wird, denn ab 21 Uhr ist es ohnehin so unwirtlich, dass man sich ungern draußen aufhält. Wie anders wäre dies im Frühling! Und durch diese Ausgangssperre war ich auch am Samstag Abend Laufen, was sonst nicht zu meinen üblichen Beschäftigungen zählt.
Wie mir zugetragen wurde, wird in Deutschland zur Vermeidung von Depressionen dazu geraten, sich Perspektiven nach der Corona-Zeit auszumalen. Und so schiele ich sehnsüchtig auf Karten von Radwegen, die in hoffentlich gar nicht so langer Zeit wieder befahrbar sein werden … So sieht man z.B. auf dem Routenplaner des niederländischen Fietsersbond Übernachtungsmöglichkeiten u.ä. für Radfahrer, was auf Touren durch die Niederlande recht praktisch sein könnte.