Meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu dieser neunten Ausgabe meiner Abenteuer in Tschechien.

Als kleiner Nachtrag zum letzten Artikel noch ein Ausflug, den ich am Sonntag, 4. September mit meinen Arbeitskollegen unternommen hatte, und zwar in die “Tschechische Schweiz” (České Švýcarsko). Diese befindet sich an der deutsch-tschechischen Grenze, was auch durch die große Zahl an deutschen Autos sichtbar ist. Auf dem Weg dorthin kamen wir am mythischen Berg Říp vorbei, auf dem der Urvater der Tschechen, Čech, laut der Sage beschlossen hatte, die tschechische Nation zu begründen. (Der Name “Říp” könnte jedenfalls tschechischer kaum sein. An dieser Stelle ein blöder Witz: Was bekommt eine tschechische Frau in ihrer Hochzeitsnacht, was hart und lang ist? Einen neuen Nachnamen!)

In der tschechischen Schweiz wanderten wir durch einen Wald zum Prebisch-Tor (Pravčická brána), das ein natürlich entstandenes Felstor ist. Die Aussicht von dort war traumhaft.

Skalky.
Skalky.

Beim Weitergehen wurden wir von Regen überrascht, der laut Wetterbericht erst ein paar Stunden später hätte eintreffen sollen. Wir kehrten daraufhin in einem kleinen Restaurant ein. An diesem Tag hatten meine Kollegen einige Anspielungen auf meine österreichische Herkunft gemacht, die mich zunehmend störten. Es waren oft Witze der Art, die mein persönliches Verhalten auf ein allgemeines österreichisches Verhalten zurückführen wollten, oder im schlimmsten Falle Nazi-Witze. Dies ging mir zunehmend auf die Nerven, sodass ich dann in dem Restaurant klarstellte, dass die Österreich-Witze für meinen Geschmack überhand genommen hatten. Um ihnen das vor Augen zu führen, verglich ich das mit dem Szenario, wenn ich meinen amerikanischen Kollegen als “den aus dem Lande Trumps” bezeichnen würde. Danach nahm die Frequenz der Österreich-Anspielungen deutlich ab. Gott sei Dank.

Nach dem Restaurantbesuch spazierten wir dann zu einer Schlucht, in der sich durch den Regen ein melancholischer Nebel gesammelt hatte.

Mlha.
Mlha.

Die ganze Natur schien verzaubert …

Ruka.
Ruka.

Bald darauf endete der Weg, und wir mussten in ein Boot umsteigen, in dem wir einen halbstündigen, höchst amüsanten tschechisch-deutschen Vortrag genossen. Die Bootfahrt war mit einigen Überraschungen gespickt; so waren z.B. an den Felswänden immer wieder Holzfiguren aufgestellt, und unser Führer zog an einer Stelle an einem Seil, worauf sich ein künstlicher Wasserfall hinter uns ergoss. Nach der Bootfahrt waren wir schon bald wieder beim Auto und kehrten wohlbehalten nach Prag zurück.

Die vergangene Woche nahm einen ganz anderen Verlauf, als ich mir vorgestellt hatte. Am Mittwoch kam mein Kollege Thibault von Innsbruck nach Prag, der dort auch für ein paar Wochen von Josef eingeladen wurde. Er war gerade rechtzeitig da für die erste Ausgabe unserer wöchentlichen Filmabende im Büro, die wir auf Chad’s Vorschlag hin mit dem Film “Team America” eröffnet haben. Bei diesem Titel habe zumindest ich sofort an irgendwelche Superhelden-Filme niederer Qualität gedacht, aber da Chad normalerweise einen guten Geschmack hat, habe ich das Wagnis eingegangen, für den Film zu stimmen. Und ich habe es nicht bereut. Es ist ein Film, der sich sehr ironisch mit der Weltmacht-Funktion Amerikas auseinandersetzt und sicherlich dutzende andere Superhelden-Filme parodiert. Die Grenzen zwischen Ernst und Parodie verschwimmen dabei sehr, z.B. bei dem Stück Freedom Isn’t Free, das ich ursprünglich für ein bekanntes amerikanisches Stück gehalten habe, bis ich durch den übertrieben ländlichen amerikanischen Akzent erkannt habe, dass das Stück explizit für den Film geschrieben wurde. Klar ironisch ist allerdings Pearl Harbor Sucked.

Am Donnerstag erreichte mich ein Anruf meiner Schwester, die mir mitteilte, dass es meinem Opa sehr schlecht ginge und ich doch möglichst bald nach Innsbruck kommen sollte. Daraufhin suchte ich mir einen Zug am frühen Nachmittag heraus und fuhr noch in die Arbeit, um meinen Computer zu holen bzw. meine Arbeitskollegen zu verständigen, die glücklicherweise alle sehr verständnisvoll waren. Ein großer Dank gebührt auch meinem šef Josef, der mir sogar das Geld für den Zugfahrschein vorstreckte, da ich über die tschechische Bahn einen um mehr als 10€ günstigeren Tarif erhielt als über die ÖBB, aber dafür nicht mit Bankomatkarte bezahlen konnte. Die Zugreise führte mich wieder über Linz und war sehr ermüdend. Als ich dann am Abend in Innsbruck eintraf, eröffnete mir meine Schwester, dass mein Großvater gestorben war.

Die darauffolgenden Tage verbrachte ich mehr oder weniger in Trauer. Am Montag fand das Begräbnis statt, wofür ich mich bereiterklärt hatte, einen Nachruf vorzulesen, den ich weiter unten wiedergegeben habe. Nach dem Begräbnis, das sehr schmerzvoll für mich war, gingen wir noch zu Verwandten auf Kaffee und Kuchen, wo es mir dann wieder deutlich besser ging.

Ich wünsche meinen Lesern noch eine schöne Woche und bis bald. Es folgt der Nachruf auf meinen Großvater, Walter Tranquillini:

Als ich die Nachricht vom Tode meines Großvaters erhalten habe, war ich zunächst erleichtert und glücklich für meinen Großvater, dass er nicht lange leiden musste. Ich glaube, dass mein Großvater diese Reaktion verstanden hätte, denn genauso wie ich war er ein “unverbesserlicher Optimist”, der in jeder schlechten Situation auch etwas Gutes gefunden hat. Wenn ich an den Gesichtsausdruck meines Großvaters zurückdenke, dann erinnere ich mich zuallererst an sein verschmitztes Lächeln, das ein Ausdruck dieser positiven Haltung war. Ihm saß auch noch im hohen Alter der selbe Schalk im Nacken, gepaart mit dem spitzbübisch hervorblitzenden Brünner Dialekt.

Am Tag nach seinem Tode besuchte ich mit meiner Schwester meine Großmutter, die mir erzählte, wie ich als Kleinkind vielmals bei ihr und meinem Großvater zu Besuch gewesen war und wie sie sich um mich gekümmert hatten. Sie zeigte uns auch ein Foto, auf dem mein Großvater neben mir abgebildet war. Auf diesem Foto wirkte mein Großvater sehr stolz und jung.

In diesem Moment ergriff mich zum ersten Mal eine große Trauer, da ich mich wieder an all die schon fern zurückliegenden Ereignisse erinnerte, die mich und meinen Großvater verbunden hatten. Ich erkannte, dass meine Großeltern schon über mich schützend gewacht hatten, als ich davon noch keine Ahnung hatte, und dass ich mit meinem Großvater nunmehr einen meiner frühesten Beschützer verloren habe. Seine so bedingungslos gegebene Liebe erschütterte mein Herz.

Ich denke auch mit Wehmut an die gemeinsamen Spaziergänge zurück, zum Beispiel an den Lanser See oder zur Teufelsmühle in Rinn. Diese sind für mich ein Zeichen meiner unbeschwerten Kindheit, die ich auch dank meinem Großvater erleben durfte.

Später in meinem Leben habe ich mit meinem Großvater die Hingabe zur Musik geteilt. Er war mir ein durchaus gestrenger Lehrer, vor dem ich mich als kleines Kind oft fürchtete, aber durch seinen Einsatz denke ich auch noch heute oft an ihn, wenn ich Klavier spiele; z.B. bei der Mondscheinsonate, wo ich noch heute jedes Mal an seinen Rat denke, die Hauptstimme gebührend zu betonen. In späteren Jahren genoss ich es dann, ihm seine Lieblingsstücke vorzuspielen, die er zu spielen nicht mehr in der Lage war. Wir hatten auch sehr viel Freude daran, wenn sich einer von uns an das Klavier setzte und der andere dazu sang. Dass er sich auch neben seiner beruflichen Tätigkeit immer die Zeit nahm, Musik zu machen und aufzunehmen, ist mir ein leuchtendes Vorbild.

Wir konnten nicht nur über Musik stundenlang diskutieren. Wenn ich zum Beispiel Zweifel über die Wahl meiner Studienrichtung oder Probleme in der Liebe hatte, dann war er mir ein aufmerksamer Zuhörer. Unsere Diskussionen bei Kaffee und Kuchen dauerten ganze Nachmittage lang, und ich konnte von seinen Erzählungen aus vergangenen Zeiten nie genug hören. Er war meine am weitesten in die Vergangenheit zurückreichende Verbindung.

Nun spüre ich, dass diese Verbindung unwiederbringlich abgerissen ist. Allerdings werde ich niemals vergessen, welche Liebe ich durch meinen Großvater erfahren habe und welch einen Freund ich in ihm besessen habe. Ich bin daher heute froh, um ihn trauern zu können, denn unsere Trauer ist umso größer, je mehr wir jemanden geliebt haben. Ich hoffe, dass auch ich in meinem Leben in der Lage sein werde, so zu lieben wie mein Großvater. Auf dass sein Lächeln weiterlebe.

Dědeček.
Dědeček.