Meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu dieser ersten Ausgabe meiner Abenteuer in Tschechien! :)

Nach meinem letzten reichlich durchdokumentierten Aufenthalt in Frankreich habe ich mich nunmehr dazu entschlossen, auch meinen Quasi-Erasmus-Aufenthalt in Tschechien nicht der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. Aber Moment – Quasi-Erasmus-Aufenthalt? Was ist denn das? Es bedarf einer kurzen Einführung über meine Motive …

Warum Erasmus in Tschechien?

Vor ca. zwei Jahren wurde ich von einer Kollegin aus dem Unichor, die aus Tschechien stammt, zu ihrer Hochzeit nach Hradec Králové (Königgrätz) eingeladen. Besagter Aufenthalt hat mich vollständig für Tschechien begeistert:

  • Die Leute waren sehr freundlich, kultiviert und sprachen sogar zu einem sehr großen Teil Deutsch.
  • Das Essen war sehr gut.
  • Die Preise waren niedrig.
  • Die Landschaft war schön.
  • Es war wie Österreich, nur ein bisschen exotischer und ostblockiger. ;)

Dazu kommt auch noch, dass ich historisch vorbelastet bin, da mein Großvater aus Brünn (Brno) stammt und meine Großmutter aus Iglau (Jihlava), ersterer allerdings nie wirklich Tschechisch gelernt hatte und ich mich somit dadurch fast verpflichtet fühlte, seinen versäumten Spracherwerb nachzuholen. Vor der Türe Österreichs liegt nämlich ein Land, das über eine hochentwickelte Kultur verfügt, aber in Österreich als Reiseziel (von in Besäufnisse ausartenden Maturareisen nach Prag einmal abgesehen) kaum wahrgenommen wird. Denken wir doch nur an Smetana, an Dvořák, an Kafka …

Um diese enge Bindung zwischen unseren Ländern zu verstehen, hielt ich es für unerlässlich, die Sprache unseres Nachbarlandes zu erlernen. Und so streberte ich für einige Monate mithilfe eines Tschechisch-Buches im Eigenstudium, was ich leider mangels nativer Sprecher in Innsbruck kaum zur Geltung bringen konnte. Glücklicherweise wurde ich letztes Jahr, also 2015, für einen Monat von Josef Urban, einem Freund meines Doktorvaters [Cezary Kaliszy], nach Prag eingeladen, um dort zu forschen. Dieser Kurzaufenthalt (der vermutlich ein eigenes Kapitel für sich wäre) hat mir auch wieder sehr gut gefallen und mein Interesse für Tschechien weiter angeheizt. Es erwies sich dann als glückliche Fügung, dass Josef mich für fünf weitere Monate nach Prag einlud. Allerdings werde ich mich nur für drei Monate Erasmus-Unterstützung bewerben, da ich Ende Juni auf eine Konferenz fahre. Außerdem werde ich keine Kurse an der Universität während meines Aufenthalts besuchen, was dann doch auch wieder eher Erasmus-untypisch ist. Ergo nur Quasi-Erasmus.

Příjezd v Praze

Am 31. Juni 2016 schickte ich mich dazu an, meinem geliebten Heimatstädtchen den temporären Abschied zu erklären, und bestieg den Zug von Innsbruck nach Salzburg, wo ich bei meinem Cousin nächtigen wollte. Zufälligerweise stieß ich gleich schon im Zug auf eine Freundin meiner Mitbewohnerin, die gerade von einem zweimonatigen Auslandsaufenthalt in der Schweiz zurückkehrte und einiges zu erzählen hatte. Und so verbrachten wir die knappen zwei Stunden von Innsbruck nach Salzburg bei einem Bier sehr gemütlich. Kein Vergleich zu den traumatischen Erlebnissen und Gefühlen bei meinem Erasmus-Aufenthalt in Frankreich. Man gewöhnt sich eben an vieles. In Salzburg angekommen wurde ich von meinem Cousin fürstlich empfangen und dank meiner gesammelten Bonusmeilen in ein koreanisches Restaurant eingeladen, gefolgt von einem Spaziergang durch die Mozartstadt auf den Mönchsberg (der mir von dem Film “Silentium” in guter Erinnerung war).

Die Nacht verbrachten wir in Straßwalchen, von wo aus ich am folgenden Tage Richtung Linz aufbrach. Das stellte sich als ein Glücksfall heraus, da zu dieser Zeit starke Unwetter über Europa zogen, die den aus Innsbruck kommenden Zug um ca. eine halbe Stunde verspäteten. Wäre ich also direkt von Innsbruck gekommen, hätte ich den tschechischen Zug von Linz nach Prag vermutlich versäumt! Aber auf diese Weise erreichte ich den Zug mit spielender Leichtigkeit. Auch wenn ich mich gegen dessen Bezeichnung “rychlík”, also Schnellzug, mit Vehemenz verwehren muss, denn er benötigt für die ca. 250km von Linz nach Prag gute fünf Stunden, gurkt also mit durchschnittlich 50km/h dahin.

In Prag angekommen holte mich mein Vermieter am Bahnhof ab. Ich hatte nämlich von Innsbruck aus ein Zimmer über AirBnB reserviert, so wie auch schon bei meinem letzten Aufenthalt in Prag. Da allerdings AirBnB nicht gerade tschechische Preise anbietet, wird es hauptsächlich von Ausländern genutzt, was dazu führte, dass ich mein Zimmer nicht gleich für fünf Monate mieten wollte, sondern nur für einen Monat, mit potenzieller Erweiterung auf vier weitere Monate. Ein entsprechender Deal war auch mit meinem Vermieter schnell geschlossen, inklusive einer Preisreduktion im Falle einer längerfristigen Miete. :)

Die Wohnung befindet sich am Vítězné náměstí (man zähle hier sechs diakritische Zeichen!), also etwas außerhalb des Stadtzentrums, drei Gehminuten von meiner Arbeitsstätte. Ich teile die Wohnung aktuell mit einem Inder, einer Französin, einer Ukrainerin, einem Spanier und einem Amerikaner. Man fühlt sich geradezu an die “auberge espagnole” erinnert. Alles sehr nette Leute, mit denen ich bis jetzt ausgezeichnet auskomme. Unser Vermieter, Radek, kümmert sich gut um die Wohnung und schenkte uns sogar anlässlich meiner Ankunft zwei Bonbonnieren.

Das größte Problem an der Wohnung ist die Lage an einem sehr befahrenen Kreisverkehr. Man hört trotz doppelter Fenster fast immer das unbestimmte Grummeln anfahrender Autos, das sich allerdings hoffentlich in ein paar Jahrzehnten in ein summendes, kaum hörbares elektrisches Geräusch umwandeln wird. Die erste Nacht verbrachte ich jedenfalls gewohnt auslandsmelancholisch und konnte wegen des Autolärms kaum schlafen.

Příští dny

Am folgenden Tage kam ich auf die Arbeit, wobei mein Hauptproblem darin bestand, das genaue Stockwerk und den Namen des Unternehmens, in dem ich arbeiten sollte, vergessen zu haben. Auch funktionierende Telefonnummern hatte ich nicht, wurde daher von der Rezeption erst einmal dazu genötigt, zu warten. (“You must wait.”) Endlich schickte sich mein Arbeitskollege, Chad Brown, dazu an, meine Warteschleife zu lösen und mich aus der Rezeption zu retten.

Chad Brown
Chad Brown

Es folgte eine längere Unterredung mit der “sekretářka” bezüglich meiner Krankenversicherung – Thema “wie können wir möglichst wenig zahlen und du möglichst viel bekommen”. Da meine Versicherung über meinen österreichischen Arbeitgeber (Universität Innsbruck) ja in ca. sechs Wochen ausläuft, muss ich dann für meine Krankenversicherung sorgen. Es wurde mir von einer ÖAD-Mitarbeiterin, Susanna Steiner (die sich schon bei meinem letzten Erasmus-Aufenthalt öfter als einmal als Rettungsanker erwiesen hatte), empfohlen, den ÖAMTC-Schutzbrief in Auge zu fassen, da dieser von einer ihr bekannten Studentin als Krankenversicherung genützt wurde, und das zu einem sensationellen Preis von nur ca. 34€. Ob dies allerdings tatsächlich für mich möglich ist, bin ich noch nicht sicher, da der ÖAMTC auf meine schriftliche Anfrage noch nicht reagiert hat. Jedenfalls ging mein erster Arbeitstag mit sehr viel Organisation einher. Leider litt Chad an einem ungesund klingenden Husten, der von den Tschechen spaßhalber als “černý kašel” (Keuchhusten) bezeichnet wurde, bereit, meinem Kollegen einen ewigen Platz in “Kutná Hora” (das über eine Knochenkirche verfügt) zu verschaffen. So ähnlich, wie wenn wir Innsbrucker sagen, dass jemand nach Hall kommt.

Am nächsten Tag geschah nicht sehr viel interessantes, da Chad krankheitsbedingt zuhause blieb und Josef nach Cambridge aufbrach. So blieb ich denn einen guten Teil meiner Zeit zuhause und arbeitete von dort. Ich brachte einiges meiner Arbeitszeit auch damit zu, WG-Inserate abzuklappern, mit bis dato eher mäßigem Erfolg.

Am Samstag jedoch antwortete endlich jemand auf meine (tschechischen) Inserate, mit der Aufforderung, ich sollte mich telefonisch melden. Der resultierende Anruf war eher desaströs von der ersten Sekunde an, denn es meldete sich eine Frau statt des von mir erwarteten Herren, und auch dann wurde ich nicht mit besagtem Herren verbunden, sondern mit einer anderen Person. Ich verstand soviel, dass ich am Sonntag einen Besichtigungstermin hätte und über E-Mail die genaue Adresse erhalten würde. Aber am Ende des Gesprächs war ich schweißgebadet. Und bis jetzt habe ich noch keine Adresse erhalten. Ob sie wohl überhaupt noch kommt?

Am Nachmittag traf ich dann einen tschechischen Freund, David, den Bruder der Chorkollegin, die mein Interesse für Tschechien ins Rollen gebracht hatte. Er studiert Germanistik und Musikwissenschaft in Prag und ist – wie seine ganze Familie – ein sehr gebildeter, musikalischer und herzlicher Mensch. Zu unserem Treffen am náměstí míru im Zentrum entschloss ich mich, mit dem Fahrrad zu fahren, was sich als ein höchst unangenehmes bis gefährliches Unterfangen herausstellte. Die Highlights:

  • Autos, Autos, Autos
  • Pflastersteine
  • Steigungen
  • Touristenschwärme (die immer kurz vor dir die Richtung wechseln und in dein Fahrrad hineinlaufen wollen! Murphy lässt grüßen)
  • Straßenbahnen
  • Stadtautobahnen
  • Autos!

Alles in allem also kein schönes Erlebnis. Aber das Bier mit David entschädigte mich vollends. Er bot mir zudem an, seine Wohnung über den Sommer zu mieten, da sein Zimmerkollege auch bald auszöge. Daraufhin inspizierte ich seine Wohnung, die mir auch sehr gut gefiel. Er wohnt mit zwei Slowakinnen und einer Tschechin zusammen, sodass auch mein Ziel, Tschechisch zu üben, weitestgehend erfüllt wäre. (Unter der Prämisse, dass Slowakisch eh mehr oder weniger Tschechisch ist. So wie Österreichisch eh mehr oder weniger Deutsch ist.) Ich ziehe dieses Angebot jedenfalls stark in Erwägung. Ach ja, die Wohnung verfügt auch über ein Klavier! :)

Nach unserem Treffen versuchte ich dann eine alternative Route zurück zu meiner Wohnung, östlich der Innenstadt über die letenské sady, in deren Nähe ich ja schon bei meinem letzten Prag-Aufenthalt gewohnt hatte. Dabei kam ich auch am Aussichtspunkt beim Riesen-Metronom vorbei, das quasi der ganzen Stadt den Takt angibt, an diesem Tage aber hauptsächlich einer kleinen Gruppen von Tänzern den Takt angab. Bei der Gelegenheit lernte ich ein paar Deutsche kennen, mit denen ich dann gleich Swing tanzen lernte.

Swing.
Swing.

Wir verstanden uns so gut, dass wir dann auch bald alle zusammen noch in einem Restaurant namens “Vegtral” (sehr zu empfehlen!) zu Abend aßen. Nach diesem sehr angenehmen Treffen ging es – im zweiten Anlauf – wieder für mich in die letenské sady, wo mein Impetus allerdings bald wieder empfindlich gebremst wurde durch ein Freiluftkino, bei dem ich den tschechischen Film “Amerika” mit Untertiteln (english, what else?) sah. Ein gelungener Abschluss für einen Samstag.

Am Sonntag begab ich mich nach dem Schreiben dieses Blog-Eintrages in den nahegelegenen Park Stromovka, den ich einmal in voller Länge durchlief. Sehr idyllisch.

Park Stromovka.
Park Stromovka.

Ich wünsche meiner Leserschaft einen schönen Tag und bis hoffentlich nächste Woche! :)