Meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu dieser letzten Ausgabe meiner Abenteuer in Tschechien. :) In diesem Beitrag möchte ich die Zeit meines ca. viermonatigen Praktikums in Prag resümieren und illustriere meinen Bericht mit Bildern aus meinen früheren Artikeln.

Organisation

Im Jahr 2015 wurde ich von Josef, einem Freund und Kollaborator meines Innsbrucker Doktorats-Betreuers, nach Prag für einen Monat zu Forschungszwecken eingeladen. Nachdem dieser Aufenthalt zu unser aller Zufriedenheit verlaufen war, lud Josef mich für einen viermonatigen Aufenthalt im Jahr 2016 ein. Von einer Bekannten erfuhr ich, dass Praktika im EU-Ausland mit einem Erasmus-Stipendium gefördert werden können, und nachdem Praktika mit höheren Sätzen gefördert werden als reguläre Studienaufenthalte im Ausland, entschied ich mich für die Förderung meines Aufenthalts als Praktikum. Unser Bedenken, ob ein Aufenthalt an einer universitären Forschungseinrichtung als Praktikum zählt, wurde zerstreut durch eine Bestätigung des Erasmus-Büros: Demzufolge werden nur z.B. Praktika an EU-Einrichtungen in Brüssel o.ä. nicht gefördert. Ein gewisses Hindernis für die Förderung stellte meine geplante Teilnahme an einer Konferenz in Portugal nach dem ersten Monat in Prag dar, weshalb ich im ersten Monat nicht über das Erasmus-Programm unterstützt wurde, da nur zusammenhängende Studienaufenthalte/Praktika gefördert werden. Dies ist besonders für Forscher eine recht willkürliche Einschränkung und sollte meines Erachtens in Zukunft zur Ermöglichung kürzerer Auslandsreisen im Rahmen der Forschungsarbeit aufgeweicht werden. Ein weiteres Problem war die Krankenversicherung: Da mein Gehalt in Tschechien die meisten Monate relativ gering ausfiel, um möglichst wenig an den tschechischen Fiskus abzuliefern, war ich auch von der Arbeit aus in Tschechien nicht krankenversichert. Eine entsprechende Versicherung bei einem öffentlichen österreichischen Versicherungsträger hätte sich als sehr kostspielig erwiesen. Aus diesem Grund griff ich auf die Auslandsversicherung des ÖAMTC zurück, die mich für ca. 50€ für ein ganzes Halbjahr versicherte.

Unterkunft

Kommen wir gleich zum unangenehmsten Thema meines Aufenthalts: der Herbergssuche! Bei meinem Aufenthalt im Jahr 2015 griff ich auf AirBnB zurück, worüber ich eine WG in der Nähe meiner Arbeitsstätte in einer ruhigen Lage am Letná-Park gefunden hatte. Bis auf die sehr zurückgezogen lebenden Mitbewohner und den für Prager Verhältnisse recht hohen Preis von 400€/Monat war diese WG eigentlich im Nachhinein gesehen eine Traum-WG. Vorspulen zum Jahr 2016: Im ersten Monat meines Praktikums wohnte ich wieder in einer AirBnB-Wohnung. Diese war allerdings eine Wohnung, in der ausschließlich Mieter von AirBnB wohnten; der tschechische Vermieter lebte außerhalb der Stadt. Das bedeutet, dass eine gewisse Fluktuation bei den Mitbewohnern unvermeidlich war und außerdem kein einziger Tscheche in der Wohnung anwesend war, was meinem Ziel, mein Tschechisch zu verbessern, deutlich zuwiderlief.

První byt.
První byt.

Weiters hatte ich einen sehr heftigen Konflikt mit einem anderen Gast, der mich bedrohte und infolgedessen ich mich eine Zeitlang kaum mehr in die Wohnung traute. Der Vermieter hielt sich aus dem Konflikt heraus. Obwohl ich mit dem Vermieter eine Option ausgehandelt hatte, für drei weitere Monate einen günstigeren Mietpreis als für den ersten Monat zu erhalten, nahm ich dieses Angebot nicht an und suchte schon gegen Ende des ersten Monats nach alternativen Wohnungen. Meine Suche blieb allerdings erfolglos. Das einzige Wohnheimangebot der Universität schlug ich aus, da das mir zugewiesene Studentenheim in Strahov einfach zu furchtbar ausschaute. Und das sage ich als jemand, der in einem französischen Studentenheim ein Jahr lang mit Kakerlaken zusammengelebt hat.

Strašný byt.
Strašný byt.

Glücklicherweise hatte mein Betreuer Josef eine Wohnung im Süden von Prag, die ich auch einmal für eine Nacht während des Konflikts mit dem Gast meiner Wohnung nützte und in der ich mich mit dem Mitbewohner recht gut verstanden hatte. Aus diesem Grund entschied ich mich, in meinem zweiten Prag-Monat dorthin zu übersiedeln – nach Praha-Krč! In diesem Domizil wurde ich aber auch nicht glücklich, da sehr weit vom Zentrum und meiner Arbeit entfernt und durch eine fast vollkommene Abwesenheit von jeglicher Kultur glänzend. Auch die Tatsache, dass dort nur eine Couch zum Schlafen stand, die so unbequem war, dass ich immer wieder notgedrungen auf den Boden zum Schlafen übersiedelte, trug nicht zu meinem Wohlbefinden bei. Daher suchte ich weiter nach WGs. Ein tschechischer Freund, David, hätte mit mir sein Zimmer geteilt, aber nach einer Test-Nacht musste ich leider dieses Angebot ablehnen, da die Wohnung direkt an einer Straßenbahnlinie lag und ich durch meinen leichten Schlaf von dem Lärm aufwachte. Meine Immobiliensuche im Internet war allerdings nach einer Woche von Erfolg gekrönt, da ich durch meine Fortschritte im Tschechien selbstbewusst genug war, bei den Leuten direkt anzurufen, was ich vermutlich von Anfang an hätte tun sollen, da mir zuvor die Leute auf meine in mühevoller Kleinarbeit auf Tschechisch verfassten E-Mails so gut wie überhaupt nie antworteten. Jedenfalls fand ich eine Wohnung in dem zentrumsnahen Bezirk Vinohrady bei einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern, mit der ich schon bei dem “Bewerbungsgespräch” fast zwei Stunden lang sprach und dementsprechend sehr gut verstand. Das Klavier und die vielen Bücher in der Wohnung machten mir auch sofort Hoffnung auf ein kultiviertes Klima. Es stellte sich diese Wohnung jedoch als zwiespältig heraus, da meine Mitbewohner kein eigenes Zimmer hatten und somit in dem räumlich von der Küche nicht getrennten Wohnzimmer hausten. Dies hinderte mich daran, in der Küche zu essen, da der Lärmpegel dort durch den fast ständig laufenden Fernseher oft recht hoch und das Fenster auch bei niedrigen Temperaturen oft offen war. Weiters rauchte meine Mitbewohnerin (trotz Kinder!), was mich dazu bewog, in meinem Zimmer zu essen. Die Kinder waren auch häufig über das altersübliche Maß hinaus laut, besonders der achtjährige Bub erging sich in fast täglichen Schreikonzerten. Es fiel mir zudem schwer, den dauerhaften und nahezu krankhaften Konsum von Fernseher und Computer der Kinder und auch der Mutter mitanzusehen. Weiters verschwanden in der Wohnung immer wieder Dinge wie Geld, Kleider, Essen etc. Das konnte hin und wieder auf die Katzen zurückgeführt werden, von denen eine nämlich so fett war, dass sie Türen öffnen konnte, inklusive Kühlschranktür, und sich dort reichlich bediente. Das war mehr als unangenehm, da sich diese Katze auch mehrfach in mein Zimmer begab und dort im besten Fall nur ihre Haare hinterließ und im schlimmsten Fall auch auf mein Bett pisste.

Druhý byt.
Druhý byt.

Man sieht, eine Lobeshymne ist es nicht gerade geworden, aber zumindest lernte ich in diesem Milieu recht viel Tschechisch, da meine Mitbewohnerin immer wieder mit mir auf einen Schwatz aus war und sich auch sehr gut auf mein Niveau einstellte.

Freizeit

Aufgrund meiner eher gespannten Wohnverhältnisse profitierte ich regelmäßig von dem ausgiebigen Kulturangebot der Stadt Prag. Wahrscheinlich am häufigsten war ich im Komorní kino Evald, das sich durch ein direkt angeschlossenes Restaurant auszeichnete, das ich häufig am Abend vor dem Kinobesuch frequentierte. Weiters war ich auch ein paar Mal im etwas größeren und belebteren Kino Aero. Abgesehen davon war ich auch im Nationaltheater (Národní divadlo), wo ich mir zu einem sehr günstigen Preis (Studentenermäßigung!) Opern anschaute.

War ich einmal in meiner Freizeit nicht in einem Kino anzutreffen, so war die Chance groß, dass ich auf irgendeinem Ausflug war, häufig mit meinen Arbeitskollegen zusammen. Wir machten wandernd große Teile der Tschechischen Republik unsicher, unter anderem in der Tschechischen Schweiz, zur Burg Kokořín etc.

České Švycarsko.
České Švycarsko.
Hrad Kokořín.
Hrad Kokořín.

Ich bin meinem Betreuer Josef dankbar dafür, dass er sich so viel Zeit nahm, für uns diese Ausflüge zu organisieren. Weiters stellte er mir ein Fahrrad zur Verfügung, das ich einmal für einen sehr schönen Ausflug in das Örtchen Okoř verwendete. Auch streifte ich natürlich in Prag selbst sehr viel herum, zum Beispiel im Waldstein-Garten.

Valdštejnská zahrada.
Valdštejnská zahrada.

Um leichter für tschechische Kontakte erreichbar zu sein, stellte mir Josef ein Mobiltelefon à la Nokia 3310 zur Verfügung. Es stellte sich jedoch heraus, dass ich das Telefon kaum brauchte, da mein Sozialleben abseits der Universität stark eingeschränkt war. Konkret: Ich hatte nur wenige Freunde. Von diesem Umstand profitierte natürlich meine Arbeit, aber es hätte mir gefallen, hin und wieder auch etwas mit Leuten außerhalb des universitären Umfeldes zu unternehmen. Ein Chor wäre hierbei ideal gewesen, doch da mein Praktikum größtenteils in den Sommer fiel, schloss dies eine Teilnahme sowohl bei Chören als wie auch bei universitären Sprachkursen aus.

Arbeit

In den ersten eineinhalb Monaten in Prag arbeitete ich an einem Projekt, das ich schon in Innsbruck begonnen hatte und für das mein Prager Bürokollege einiges an relevanter Expertise hatte. Es stellte sich allerdings nach einiger Zeit heraus, dass die wissenschaftlichen Grundlagen meines Projektes schon in den 1980er-Jahren weitestgehend erforscht wurden und meine Arbeit vermutlich den status quo nicht wesentlich verbessert hätte. Aus diesem Grund entschied ich mich dazu, dieses Projekt zu terminieren und an einem anderen Thema weiterzuarbeiten. Dieses zweite Thema, das ich bis zum Ende meines Prag-Aufenthaltes bearbeitete, stellte sich als erfolgreicher heraus. Es kam nur zu Spannungen, als ich mich über längere Zeit hinweg auf gewisse Aspekte des Themas konzentrieren wollte, die meinem Betreuer als unwichtig vorkamen und die er lieber zu Gunsten einer neuen Technik hintangestellt sehen wollte. Nach einem Wutausbruch war ich so eingeschüchtert, dass ich mich der neuen Technik widmete, aber ich litt dafür einige Zeit an heftigem Stress. Im Großem und Ganzen aber war ich mit dem Arbeitsklima sehr zufrieden; wir gingen täglich zusammen essen und organisierten auch immer wieder Aktivitäten wie Filmabende im Büro (Kolja, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Team America) und ähnliches. Besonders profitierte ich auch von den Diskussionen mit meinem Bürokollegen, dessen Erfahrung ich sehr vermissen werde.

Verkehr

Wie schon erwähnt, stand mir ein Fahrrad zu Verfügung, das ich in meiner Naivität für meine Fortbewegung in der Stadt nützen zu können vermeinte. Denkste! Prag stellte sich als ein im wahrsten Sinne des Wortes “heißes Pflaster” für Radfahrer heraus, wobei der Aspekt des “Pflasters” nicht stark genug betont werden kann. Wenn dich nicht eine Gehirnblutung durch die Pflasterstein-Erschütterungen umbringt, dann tut es garantiert ein Auto, von denen man häufig nicht getrennt um sein Leben bangt. Aus diesem Grund machte ich es wie die Prager und benutzte fast ausschließlich die öffentlichen Verkehrsmittel, für die ich eine Dreimonatskarte zum Vollpreis von ca. 50€ erstand. Dies deckte meine Mobilität in Prag mehr als ausreichend, und für Reisen in das Umland verwendeten wir so gut wie immer Züge und Busse, die mehr als erschwinglich waren und zudem auch postkommunistischen Charme versprühten.

Starý vlak.
Starý vlak.

Sprache

Das Tschechische ist in den Augen der meisten eine Sprache, die es sich nicht zu lernen lohnt und überdies äußerst schwierig zu lernen ist. Ich beschäftige mich mit dieser Sprache schon seit fast zwei Jahren und kann für mich diese beiden Argumente stark verneinen. Das Tschechische eröffnet einen Einblick in eine der interessantesten Mischkulturen Mitteleuropas, da Tschechien eine der vom Deutschen am stärksten geprägten slawischen Kulturen darstellt. Weiters erschließt das Tschechische auch fast nebenbei die Kultur der Slowakei und in geringerem Maße auch Sloweniens, also mehr als eines Drittels aller österreichischer Nachbarländer. Auch wenn man sich mit Englisch und in geringerem Maße auch Deutsch durchschlagen kann, so findet man dadurch nur Zugang zu den Hirnen der Menschen, nicht aber zu ihren Herzen. Und die Herzen flogen mir häufig entgegen, wenn ich Tschechisch sprach. Auf der Rückreise nach Österreich sagte mir eine Tschechin, dass es “angenehm sei, einen Ausländer Tschechisch sprechen zu hören”, da dies eine sehr seltene Erscheinung sei. Eine Museumswärterin war davon sogar so begeistert, dass sie mir jedes Mal im Museum freien Eintritt gewährte und außerdem lange mit mir plauderte. Die Sprache eröffnete mir weiters einen Einblick in die Nachrichten des Landes, in denen ich den Eindruck erhielt, dass Tschechien durchaus ein schnell aufstrebendes Land ist. Aber auch ohne Nachrichten zeugten die zahlreichen Arbeitsangebote in der ganzen Stadt davon, dass sich die Wirtschaft rasant entwickelt, was ein Grund mehr dafür ist, sich auch für den Spracherwerb einzusetzen. Zur Schwierigkeit des Tschechischen sei gesagt, dass man sich auch anfangs mit fehlerhaften Deklinationen durchschlagen und diese graduell nachlernen kann. Viele Wörter aus dem Slawischen muss man als Deutschsprachiger neu lernen, was aber im Tschechischen durch die dem Deutschen sehr ähnlichen zusammengesetzten Wörter im Vergleich zu anderen slawischen Sprachen erleichtert wird. Grosso modo habe ich Tschechisch also nicht viel schwerer als z.B. Französisch gefunden und war nach ca. fünf Monaten Aufenthalt durchaus in der Lage, eine Konversation zu führen, wenn ich auch noch nicht schnell geführten Konversationen zwischen Tschechen folgen kann.

Essen

Auch wenn Tschechien nicht Frankreich ist, so werde ich doch definitiv die Prager Küche vermissen, umso mehr, als die geringen Preise eine häufige Frequentierung guter Restaurants zulässt. Meine Top-Adressen waren jedenfalls das schon erwähnte Komorní Kino Evald und U Magistra Kelly – ersteres für traditionelle tschechische Küche und zweiteres für einige wenige hervorragend zubereitete Speisen. Beide verbindet jedenfalls, dass sie das meiner Meinung nach beste Bier der Welt anbieten – Velkopopovický Černý Kozel. Dieses hat einen leicht süßlichen Geschmack, aber nicht so wie Radler. Man muss es einfach selbst erlebt haben.

Hodně dobré jidlo.
Hodně dobré jidlo.

Von den Lebensmitteln her hat mich Tschechien nicht so umgehaut – was ich allerdings im Nachhinein schon vermisse, ist das Rahmjoghurt mit 10% Fett. Mmmmhhhh …

Konec

Um dieses Résumé also zu einem Ende zu führen: Meine Zeit in Prag war alles in allem sehr reich an Eindrücken, aber ich bin durchaus froh, wieder in Innsbruck zu sein, hauptsächlich aus Gründen der Unterkunft. Eine Möglichkeit, zu halbwegs erträglichen Preisen eine Wohngemeinschaft in Prag für ca. drei Monate bei Tschechen zu finden, steht noch aus. Wenn mich die Wehmut nach Prag überkommt, dann lege ich Musik von Brontosauři auf und fühle mich wieder wie damals …

Praha.
Praha.

Ich hoffe, meinen Lesern einen kleinen Einblick in das Leben eines Österreichers in Tschechien gegeben zu haben – ahoj! :)