Nach ein paar wunderschönen Wochen in Tirol bin ich am 14. Mai wieder nach Amsterdam zurückgekehrt. Was mir in der Wohnung als erstes auffiel, waren die vielen Kisten, die an den Eingängen zu Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer standen. Mathilde hatte mich schon vorgewarnt, dass sie während meiner Abwesenheit in der Wohnung Bekanntschaft mit (mindestens) einer Maus gemacht hatte, und erklärte mir, dass sie diese Kisten als Maus-Barrikade eingerichtet hatte. Bei der Verfolgung der Maus (für die Mathilde ein Stück savoyardischen Käses opferte) hatte Mathilde festgestellt, dass diese in einem Wandschrank verschwunden und anschließend nicht mehr aufzufinden war. In besagtem Wandschrank befindet sich ein Wasserrohr, welches durch ein Loch in der Wand führt, welches nicht vollständig abgeschlossen war. Seitdem Mathilde die offenen Stücke des Lochs mit Klebestreifen abgedichtet hatte, war von dem mäuslichen Besucher nichts mehr zu sehen.

Am Samstag fuhr ich abends noch eine Runde in den “Amsterdamse Bos”, mit dem Hintergedanken, danach Mathilde von der Arbeit abzuholen. Dies war mir möglich, nachdem ja die abendliche Ausgangssperre in den Niederlanden mittlerweile wieder Geschichte ist. Bei dem Massagesalon angekommen bot mir Mathilde noch eine kleine Massage an, womit ich zum ersten Mal ihren Arbeitsplatz sah. Nach einer Dreiviertelstunde war leider schon Schluss, denn mein recht verspannter Nacken (Fluch aller Heimarbeiter!) hätte sich noch mehr gewünscht. Am Tag darauf wiederholte sich das Prozedere, nur dass die Massage diesmal ca. eineinhalb Stunden lang ausfiel und sich mein Nacken diesmal nicht über unzureichende Behandlung beklagen konnte. :)

In dem Massagesalon ist es üblich, nach der Massage noch einen Tee einzunehmen. An dem Tisch, wo der Tee steht, lag auch ein Buch über Bruce Springsteen namens “Springsteen in Nederland”. Darin erfuhr ich, dass Springsteen ein niederländischer Name ist, jedoch trotz weitgehender Bemühungen nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass der Sänger niederländische Wurzeln hat (was für die Niederländer von großer Bedeutung zu sein scheint). In diesem Buch hat eine Auflistung von englischen Redensarten über Niederländer meine Aufmerksamkeit erregt. Beispiele gefällig?

  • “Dutch agreement”: Übereinkunft zwischen zwei Menschen, die zustande kommt, wenn beide betrunken sind, und an die sich beide später nicht mehr erinnern
  • “Dutch concert”: Lärmbelästigung
  • “Dutch consolation”: schaler Trost
  • “Dutch defense”: schwache Verteidigung
  • “Dutch generosity”: Gier
  • “Dutch humour”: augenzwinkernder/ironischer Humor
  • “Dutch treat”: wenn man auf ein Abendessen eingeladen wird, wobei man davon ausgeht, dass man nichts dafür bezahlen muss, am Ende allerdings doch eine Rechnung serviert bekommt
  • “Going Dutch”: wenn man mit Freunden ausgeht und die Rechnung geteilt wird, sodass jeder sein eigenes Essen und Trinken bezahlt
  • “End up in Dutch”: in Ungnade fallen
  • “Dutch uncle”: Person, die man lieber vermeidet, da diese einem herablassend oder ermahnend zuredet

Alles in allem scheinen also Niederländer bei Engländern & Co. nicht gerade positiv konnotiert zu sein. Interessanterweise fallen mir im Deutschen kaum vergleichbare Redensarten über Niederländer ein, was man als Beleg dafür deuten könnte, dass die Niederlande stärker Richtung England/Amerika als Richtung Europa orientiert sind. (Außer vielleicht für die Ferien.)

Auch viele Niederländer scheinen eine geradezu masochistische Tendenz zu haben, schlechtes über ihr eigenen Land hören zu wollen oder zu sagen. So hat zum Beispiel Mathilde einen Klienten gehabt, der sie am Ende der Massage gefragt hat: “So, what do you really think about the Netherlands? I like to hear bad stuff!” Und weiters gibt es ein Video von Bart de Pau ein, in dem er fast genüsslich über die schlimmsten kulinarischsten Sünden der Niederländer referiert. Gleichzeitig sind Niederländer aber auch sehr patriotisch (Oranje!), was für mich eine sehr unverständliche Mischung darstellt.

Ein schönes Beispiel für einen “Dutch oncle” fällt mir jedenfalls aus dem Stegreif ein: Hugo de Jonge, seines Zeichens niederländischer Gesundheitsminister. Dieser hat sich in die Nesseln gesetzt, als er folgendes verkündete: “Je hoeft niet naar het theater. Je kunt ook thuis een mooie dvd opzetten.” (“Du musst nicht ins Theater. Du kannst auch zuhause eine hübsche DVD auflegen.”) Der Hintergrund dieser flapsigen Aussage ist, dass die Niederlande beschlossen haben, mit dem nächsten Öffnungsschritt per 19. Mai etliche Einrichtungen wie etwa Fitnessstudios und Bordelle (!) zu öffnen, jedoch Museen, Theater und Kinos geschlossen zu halten. Dies hat Kulturschaffende erzürnt und zu Kommentaren verleitet wie: “Ins Theater zu gehen ist wie Liebe machen mit drei Kondomen übereinander. Es geht kaum sicherer.”

Ein sehr interessanter Artikel führt die Geringschätzung der Kultur in den Niederlanden darauf zurück, dass die Niederlande — anders als der Rest Europas — keine höfische, sondern eine bürgerliche Kultur hatten, weshalb dort ein Krämergeist vorherrsche. Der Artikel weiters: “Aus einer neoliberalen Sicht dient alles der Wirtschaft, und Kultur wird als ein Instrument dafür gesehen. Wenn man an alles das Kriterium des Nutzens anlegt, ist Kunst nicht wichtig.” Für mich wird immer sichtbarer, dass der in den Niederlanden vorzufindende Krämergeist ein Wegbegleiter des Neoliberalismus ist, dessen ideologische Wurzeln gleichfalls in den liberalen, bürgerlichen Niederlanden zu verorten sind.

Ich halte es in dem Kontext für höchst relevant, dass New York ursprünglich eine niederländische Niederlassung, nämlich Nieuw Amsterdam, war. Ich mutmaße, dass sich die niederländischen Werte dadurch Geltung in den heutigen USA verschafft und erhalten haben, von wo sie sich als Leitkultur die ganze Welt zu erobern anschicken. Nannte doch nicht umsonst ein österreichischer Einwanderer in den USA die Amerikaner “himmelanstinkende Krämerseelen. Tot für alles geistige Leben, maustot.” (Quelle: WELT)

Eine weitere Folge der liberalen Corona-Politik der Niederlande ist übrigens, dass aufgrund hoher Fallzahlen (vor kurzem ca. vier Mal so hoch wie in Österreich!) noch bis voraussichtlich 30. Juni in Österreich eine Quarantänepflicht bei einer Einreise aus den Niederlanden gilt. Dies könnte unseren Umzug nach Tirol etwas erschweren.

Bezüglich des Umzugs: Ich habe in der letzten Woche vor meiner Abfahrt aus Tirol noch zwei Wohnungen besichtigt und kurz nach meiner Rückkehr nach Amsterdam den Zuschlag für eine Wohnung in St. Nikolaus erhalten! So scheint es nunmehr immer wahrscheinlicher, dass ich nach meiner Rückkehr nach Tirol ein “Koatlackler” werde.

Und wenn wir schon beim Thema Rückkehr sind: Diese könnte eventuell mit folgendem Verkehrsmittel stattfinden, von dem das erste Exemplar heute gestartet ist:

Dat is toch top!
Dat is toch top!

Die erste Österreich-Werbung, die ich seit meiner Ankunft in Amsterdam gesehen habe! Dieses Wochenende waren übrigens unüblich viele Autos mit ausländischem Kennzeichen auf den Straßen von Amsterdam, darunter sehr viele Franzosen, von denen wohl einige zum ersten Mal seit langem wieder einmal aus ihrem Land herauskommen. Kombiniert mit den geöffneten Terrassen vor den Restaurants fühlt sich Amsterdam langsam wieder normal an …

Ich wünsche meiner Leserschaft eine schöne Woche und bis bald!