Seit einer Woche bin ich wieder in den Niederlanden. Meine Reise von Innsbruck nach Amsterdam mit dem Zug ging durch Deutschland, und sie stand unter dem Motto “Polizei”:

Ich fahre um 10:40 Uhr in Innsbruck los. Schon kurz nach der österreichisch-deutschen Grenze, die im Zug mehrfach angekündigt worden war, bleibt der Zug stehen, und der Schaffner informiert uns, dass der Zug aufgrund einer behördlichen Anordnung der deutschen Bundespolizei auf Sicht fahren müsse. Der Zug kommt somit mit ca. 30 Minuten Verspätung in München an, was bedeutet, dass ich meinen Anschlusszug nach Düsseldorf gerade aus dem Hauptbahnhof fahren sehe, als mein Zug in den Hauptbahnhof einfährt. Schön, so kann ich wenigstens mein Mittagessen im herbstlich grauen München einnehmen, ungestört von Corona-bedingten Schuldgefühlen, die mich sonst beim Essen im Zug überkommen. Eine Stunde später kommt dann der nächste Zug nach Düsseldorf, in dem die Weiterfahrt relativ unspektakulär verläuft, abgesehen von einer Familie mit einigen Kindern, die im Ruheabteil herumlaufen. Nachdem ich allerdings in Deutschland sehr schlechte Erfahrungen gemacht habe mit dem Versuch, Leute auf die ureigenste Eigenschaft eines Ruheabteils hinzuweisen, sehne ich einfach nur die Ankunft des Zuges herbei und versuche, mich zwischenzeitlich irgendwie abzulenken.

In Düsseldorf angekommen spaziere ich in der Dämmerung zu einem nahegelegenen Park, wo ich mich auf einer Parkbank niederlasse. Ein paar Minuten später kommen ein paar Uniformierte mit der Aufschrift “Ordnungsamt” auf mich zu und weisen mich darauf hin, dass die Parkbank für Eltern mit ihren Kindern reserviert sei und sie mir nur deshalb kein Bußgeld von 15€ aufbrummen, weil sie mir keine bösartige Absicht unterstellen wollten. Auf meinen Einwand hin, dass ich in der Dunkelheit kein Verbotsschild gesehen hatte, antworteten sie etwas im Sinne von: “Veräppeln können wir uns selbst”. So verließ ich eben meine Parkbank und irrte die restliche Zeit zu Fuß herum, nicht ohne das sogenannte Verbotsschild zu besichtigen, auf dem stand: “Spielplatz für Kinder”.

Nach dem Zwischenhalt in Düsseldorf ging es dann weiter mit dem Zug nach Amsterdam Centraal. Ein ganz normaler ICE, in dem mir nur (wie schon zwei Jahre zuvor) auffiel, dass man aus der Lokführerkabine immer wieder eine automatische Stimme hörte, die “Störung”, “Störung” sagte. (Während es vor zwei Jahren nur eine männliche Stimme war, war es diesmal allerdings ganz gendergerecht sowohl eine männliche und eine weibliche Stimme. Es lebe der Fortschritt.) Nichtsdestotrotz kam ich störungsfrei in Utrecht an, wo ich zum letzten Mal Richtung Amsterdam Zuid umstieg, um dann gegen 22 Uhr in Amsterdam anzukommen. Wenn ich daran denke, dass eine Flugreise von Innsbruck nach Amsterdam nur eine Stunde dauern würde … Aber wenn Greta Thunberg die Fahrt in vollen deutschen Zügen aushält, dann schaffe ich das auch.

In den Niederlanden herrscht zur Zeit meiner Ankunft eine Art Quarantänepflicht für Reisende aus Corona-Risikogebieten, wozu Innsbruck schon recht früh zählte. Warum “eine Art Quarantänepflicht”? Ist das nicht so wie “ein bisschen schwanger”? Nun, auf der niederländischen Seite des Außenministeriums steht

Na een verblijf in de oranje gebieden gaat u bij terugkeer in Nederland 10 dagen in thuisquarantaine.

Heißt “u gaat in thuisquarantaine” “Sie gehen in Quarantäne” oder “Sie müssen in Quarantäne gehen”? Der englische Text ist aufschlussreicher:

Travellers arriving in the Netherlands from certain countries and regions should self-quarantine for 10 days.

Aha, “should” heißt nicht “must”, also ist die Quarantäne freiwillig. Warum steht aber etwas weiter unten unter “Self-quarantine rules” das folgende?

Don’t leave your accommodation, whether that is your home, holiday accommodation or other temporary accommodation, like a hotel room. Do not travel or go to another location in the Netherlands. […]

Also wenn ich freiwillig in Quarantäne gehe, dann muss ich auf einmal bestimmte Dinge erfüllen? Ist das nicht ein Widerspruch?

In der Praxis macht das jedenfalls keinen großen Unterschied, da meine sozialen Interaktionen in den Niederlanden bisher ohnehin sehr beschränkt waren. Die Teilnahme an einem Chor ist momentan leider ausgeschlossen, und meine Arbeitskollegen habe ich bis auf einen ausschließlich virtuell gesehen. Aus beruflicher Sicht besteht für mich also im Moment eigentlich wenig Grund, in Amsterdam zu sein.

Die Niederländer scheinen jedenfalls die Corona nicht sehr ernst zu nehmen. Ich sah vor ein paar Tagen sogar einen geschlossenen Raum, in dem um die dreißig (!) Leute zu Musik trainierten, mit dem Abstand eines Elefantenfötus. Weiters ist im Supermarkt noch immer keine Maskenpflicht, sodass ich mich nicht sonderlich schlecht fühle, wenn ich manchmal außer Haus gehe.

Der beste Grund zur Quarantäne ist das niederländische Wetter. Vor kurzem sah ich das Bild eines Sonnenuntergangs in Tirol, und ich war tatsächlich überrascht von dem hellen Himmelskörper, der die Umgebung in strahlenden Farben erleuchtete. Man gewöhnt sich das in den Niederlanden sehr schnell ab. Ebenso war ich schon auf meiner Zugfahrt nach Tirol vollkommen unerwarteterweise entzückt über die kleinsten deutschen Hügel, manchmal sogar mit Burgen gekrönt. Man weiß eben erst, was man hat, wenn man es nicht mehr hat.

Es macht mehr Sinn, sich auf die niederländischen Vorzüge zu konzentrieren. So habe ich mich auf das Radfahren verlegt und mache jetzt bis zu zwei Fahrradtouren pro Tag. Meine Hauptziele sind der Amsterdamse Bos (“Amsterdamer Wald”) und Ouderkerk aan de Amstel, ein kleines, süßes Dörflein ca. 5km von Amsterdam entfernt, zu dem der Weg an der Amstel entlang führt. Häufige Begleiter auf diesen Radtouren ist der Wind, der, kombiniert mit einem saftigen Regen, dem bebrillten Radfahrer die Sicht fast völlig nimmt, was sich z.B. durch eine Schildkappe abmildern lässt.

Es gibt zwei Arten von Niederländern: Die, die bei Regen hinausgehen, und die anderen. Man sieht üblicherweise nur die ersteren.

Vielleicht noch ein paar Worte zu meiner Unterkunft: Ich befinde mich in einem Art Studentenheim in Amstelveen, das sich ca. fünfzig Meter südlich der Stadtgrenze von Amsterdam befindet. Dieses Studentenheim befindet sich allerdings genau inmitten einer Flugschneise zu einem der größten Flughäfen Europas, nämlich Amsterdam Schiphol. Nachdem auch in Corona-Zeiten die Flugzeuge fliegen (mit wie vielen Passagieren, frage ich mich) und zeitweise ziemlich viel Lärm in unserem Zimmer verursachen, ist der Leidensdruck jedenfalls hoch; so war heute fast drei Stunden lang ein kontinuierlicher Flugverkehr über unserer Wohnung. Daher suchen wir seit ca. einer Woche nach einer neuen Bleibe. Bis jetzt hatten wir eine Wohnungsbesichtigung, die allerdings etwas komisch verlief, nachdem die Maklerin sowie die meisten anderen Interessenten auch in der Wohnung keine Masken trugen, die bisherigen Bewohner allerdings mit Masken anwesend waren. Die Wohnungsbesichtigung war schon nach weniger als fünf Minuten abgeschlossen, nachdem sie uns nicht sehr gefiel. Außerdem betrug der Mietpreis 1.250€/Monat, und das für 37m² in der Pampa von Amsterdam. (Amsterpampa?) Die Suche geht also weiter …