Seit dem letzten Eintrag haben wir uns schon ein bisschen häuslicher in unserer Wohnung eingerichtet.

Am Montag war als erstes das Klavier an der Reihe, das bis dahin in seinem Karton geschlummert hatte. Zum Zusammenbau kaufte ich mir zuvor bei einem nahen Handwerksladen namens “de Prijshamer” (nomen est omen) einen Akkuschrauber, der mir beim weiteren Prozedere äußerst nützliche Dienste erweisen sollte. Der Aufbau der Klaviers war damit relativ unspektakulär, und seit es fest in unserem Wohnzimmer steht, spielen wir beide mit großer Freude darauf. Es ist wirklich ein großer Unterschied in der Anschlagsdynamik verglichen mit älteren Modellen zu bemerken, und es entlockt mir immer noch ein Lächeln, wenn ich die kleinsten Lautstärkeunterschiede mühelos produzieren kann. Was allerdings noch dringend fehlt, ist ein passender Klavierstuhl; derzeit bekomme ich leider schon nach kürzerer Spielzeit Rückenschmerzen.

Am Mittwoch fing ich an, die Überbleibsel unserer Vormieter zu identifizieren und zu eliminieren, die da unter anderem wären: Socken, Schals, und ein paar Kondom-Verpackungen (glücklicherweise leer). Weiters entdeckte ich noch größere Mengen Staub, die ich mit größtem Genuss entfernte. Nach dieser tabula rasa fühlte ich mich (in Kombination mit dem neuen Klavier) schon deutlich wohler in der Wohnung. Es ist hier übrigens deutlich ruhiger als in unserer alten Wohnung; der Fluglärm ist weitestgehend Geschichte. Als wir allerdings doch einmal ein Flugzeug hörten, hielten wir instinktiv beide inne und zählten bis sechzig, da wir ja gewohnheitsmäßig eine Serie von Flugzeugen im Minutentakt erwarteten. Als diese ausblieb, mussten wir beide lachen, aber diese Episode zeigt, wie sehr uns dieser Fluglärm belastet hat. Es ist dennoch auch eine neue Lärmquelle hinzugekommen, nämlich unsere Nachbarin von oben, deren “sanfter” Gang durch die (vermutlich in Beichtbauweise konstruierten) Wände so vernehmlich ist, dass wir sie liebevoll “Elefant” getauft haben.

Am Samstag bekamen wir Besuch von einem Vertreter einer Bank, der kam, um Mathildes Identität festzustellen. Wir haben nämlich festgestellt, dass etliche niederländische Organisationen partout auf einem niederländischen Konto beharren, weshalb Mathilde schlussendlich die Eröffnung eines Kontos beantragte. Ihre vorhergehenden Versuche, online ein Konto zu eröffnen, waren bis dahin alle aus unterschiedlichen Gründen gescheitert: Einmal waren die Server temporär unerreichbar (mehrere Tage lang!), einmal wurde zwingend eine niederländische Telefonnummer verlangt, einmal wurde ihr Reisepass nicht erkannt … Die Niederlande sind ein hochtechnisiertes Land, doch in der Praxis ergeben sich dadurch meiner Erfahrung nach mehr Probleme als Annehmlichkeiten, und man muss im Endeffekt dann doch wieder menschliche Hilfe in Anspruch nehmen. (Als Beispiel wäre der Bahnhof zu nennen, dessen Ein- und Ausgang nur nach Scannen der Fahrkarten benützt werden kann, was bei mir regelmäßig nicht funktioniert und jedesmal eine menschliche Intervention nötig macht.) Jedenfalls scheint es für die Niederländer nichts besonderes zu sein, Bankangestellte in (bzw. vor) ihrer Wohnung zu empfangen.

Am Samstag Abend hat mir Mathilde nachträglich zum Geburtstag einen Apfelstrudel gemacht. Weitere Gerichte, die in letzter Zeit nur durch den für uns neuen Luxus eines Backofens zustandegekommen sind, waren eine Lasagne und ein Schokolade-Kuchen mit Spekulatius-Füllung. Ich kann mich also kulinarisch wirklich nicht beklagen. :)

Am Sonntag machten wir einen Ausflug mit dem Fahrrad nach Haarlem, der in einen Besuch bei einem dortigen großen schwedischen Möbelhaus mutierte. Wir benötigen nämlich noch dringend ein paar Möbel, ganz zuvorderst einen Schreibtisch mit einem passenden Bürostuhl. (Diesen Blogeintrag wollte ich schon früher schreiben, aber durch meine wenig ergonomische Haltung vor meinem Computer bekam ich solche Schmerzen in meiner rechten Hand, dass ich trotz der Anwesenheit einer Physiotherapeutin in meinem nähsten Umfeld jegliche Schreibaktivität für einen Tag einstellen musste.)

Am Montag haben wir unsere alte Wohnung in Uilenstede endgültig ausgeräumt und geputzt, was uns doch einige Stunden gekostet hat. Wir haben von diesem Ereignis auch gleich insofern profitiert, indem wir das Internet in unserer alten Wohnung verwendet haben, denn wir sind bisher in unserer neuen Wohnung vom Internet abgeschnitten. Bei der Gelegenheit haben wir einen Kombi-Vertrag für Strom, Gas und Internet bei dem Betreiber Oxxio abgeschlossen, der aus meiner Sicht deutlich bessere Konditionen bot als der für uns von unserem Makler abgeschlossene Vertrag bei Vattenfall. Der Abschluss des letzteren Vertrags war übrigens eine ziemlich windige Geschichte: Mathilde als auch ich hatten verstanden, dass der Makler uns angeboten hatte, unsere Daten zwecks eines unverbindlichen Vertragsangebots an einen Energielieferanten weiterzuleiten; de facto hat der Makler aber (mit einer ungültigen Unterschrift!) einen Vertrag für uns abgeschlossen, den ich aktiv stornieren musste. Glücklicherweise ist dies in den Niederlanden innerhalb von vierzehn Tagen kostenlos möglich, sodass uns daraus kein Ungemach widerfuhr.

Am Dienstag erfuhr ich, dass die Niederlande unter Mark Rutte einen harten Lockdown beschlossen hatten, was bedeutet, dass nicht-essentielle Geschäfte für fünf Wochen schließen müssen. (Coffeeshops sollen davon übrigens nicht betroffen sein …) Daraufhin machte ich eine kleine Radtour, um die Gegend im Nordwesten unseres neuen Domizils zu erkunden. Der Weg führte mich durch ein Naturschutzgebiet namens Lange Bretten, das im Norden von einer Industriegebiet und im Süden von einer großen Bundesstraße begrenzt wird. Leider scheinen die beiden Haupt-Radwege durch die Bretten am nördlichen bzw. am südlichen Rand entlang zu führen, weshalb man die Qual der Wahl zwischen einem lauten (Bundesstraße) und einem hässlichen (Industriegebiet) Weg hat — in der Mitte ist leider kein Durchkommen. Am Ende des Waldes fährt man dann unter einer Autobahn durch, um dann nach kurzer Zeit in das “Recreatiegebied Spaarnwoude” zu gelangen. Das ist eine parkartige Anlage mit kleinen Hügeln und einem großen See, in dem sich viele Flaneure mit Hunden aufhalten. Ein Exemplar der letzteren Spezies wurde mir fast zum Verhängnis: Ich fuhr mir nichts, dir nichts am Radweg dahin, als ich einen Vertreter der Gattung canis canis von einem nahen See in meine Richtung hetzen sah. Die Bestie zwang mich zum Stehenbleiben, indem sie direkt vor mein Rad rannte, und machte dann einige Versuche, mich zu attackieren. Ich verteidigte mich etwa eine halbe Minute lang gegen das Baskerville’sche Monster mit meinem Rad, bis die Besitzer das Getier endlich wieder unter Kontrolle hatten. Danach machte ich mich schleunigst aus dem Staube. Ich fuhr noch ca. zwanzig Minuten weiter nach Westen, wobei die Häuser und die Landschaft endlich etwas ländlich-rustikaler wurden. Beim Rückweg erkundigte ich dann die nördliche Strecke der Bretten (die entlang der sogenannten “Ruigoordroute” lag, was sich übrigens nicht auf einen “ruhigen”, sondern auf einen “rauhen Ort”, nämlich Ruigoord bezieht), die so geradlinig (und, wenn ich werten darf, langweilig) dahinging, dass ich ganz instinktiv schneller fuhr, was ich im Anschluss durch Knieschmerzen büßte.

Am Mittwoch schrieben wir uns am Gemeindeamt (“stadsloket”) ein, um unseren Umzug nach Amsterdam kundzugeben. Danach nutzten wir das schöne Wetter, um im naheliegenden Erasmuspark bei einem Tee mit Milch die Sonne zu genießen. Am Nachmittag machten wir dann einen Ausflug zur Sloterplas (Sloterpfütze), einem recht großen See (die Bezeichnung “Pfütze” ist doch etwas zu bescheiden) innerhalb von Amsterdam.

Am Donnerstag werden wir mit dem Zug zu zweit nach Innsbruck fahren. Ich bitte die werte Leserschaft, uns für eine glückliche Durchquerung Deutschlands die Daumen zu drücken!